Pfarrer Karl Sendker

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1. Fastensonntag B
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Predigten

Predigtverzeichnis  nach Bibelstellen geordnet

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Predigt zur 1. Lesung:   Gen 9,8-15

Predigt zum Evangelium:   Mk 1,12-15

Predigttext:    Gen 9,8-15

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Es gibt wohl nur wenige Naturphänomene, die alle Menschen, egal ob jung oder alt, so sehr in den Bann ziehen wie ein Regenbogen. Jedes Mal, wenn irgendwo ein Regenbogen auftaucht, stoßen sich die Leute an: „Hast du den Regenbogen schon gesehen? Schau mal da, ein Regenbogen.“

Ich kann mich noch gut erinnern, vor einigen Jahren im Urlaub fuhren wir mit dem Schiff über den Chiemsee. Über dem Chiemsee tobte ein furchtbares Unwetter, mit Hagel, mit Blitz und Gewitter und starkem Regen. Und plötzlich strahlte ganz kurz von Westen die Sonne über den See. Und über der Fraueninsel ein riesiger dreifacher Regenbogen, vor den dunklen Wolken. Es war wunderbar.

Dieses Zeichen des Regenbogens macht Gott am Ende der Sintflutgeschichte zum Zeichen seines Bundes, den er mit der ganzen Schöpfung geschlossen hat, des Friedensbundes mit der Schöpfung. Ein Regenbogen entsteht ja oft dann, wenn vorher ein Unwetter da war. Wenn die Wolken sich zusammengeballt haben, und wenn sie ihre Last abgeladen haben.

 

Und so ein „Unwetter“, ein furchtbares Unwetter, war auch hereingebrochen über das Volk Israel. Als sie in die babylonische Gefangenschaft geschleppt wurden, da war es wie eine Vernichtung. Der Tempel war zerstört, tausende Menschen waren bei der Eroberung Jerusalems umgekommen, die Stadt dem Erdboden gleichgemacht. Und der Rest, der noch übrig blieb, wurde in die Gefangenschaft verschleppt nach Babylon. Keine Hoffnung mehr, alles war aus. Das war das „Unwetter“, das sich zusammengebraut hatte und sich jetzt entladen hatte.

Die Israeliten wussten ganz genau: Dieses „Unwetter“ ist über uns hereingebrochen, weil wir Götzendienst getrieben hatten. Weil wir Gott auf die Seite geschoben haben, und weil wir uns um seine Gebote nicht mehr gekümmert haben. Darum ist dieses Unheil über uns gekommen.

 Gott hatte vorher durch die Propheten, etwa durch einen Propheten Amos, immer wieder ankündigen lassen: Wenn ihr euch nicht bekehrt, dann wird dieses Unheil über euch kommen. Aber keiner konnte sich das vorstellen. Es ging dem Volk ja gut. Da haben sie die Propheten ausgelacht: „Ihr seid ja Schwarzmaler.“ Sie haben die Propheten ins Gefängnis gesteckt, manchmal in eine Schlammgrube geworfen: „Ihr untergrabt die Moral des Volkes.“ Und jetzt war das Unheil, das Gericht Gottes da, als sie in der Gefangenschaft in Babylon waren.

 

Und dann, mitten in diesem „Unwetter“ in Babylon, erinnert sich Israel auf einmal an die uralte Geschichte von der Sintflut, die man sich immer erzählt hatte. Da war es schon einmal so gewesen, dass die Menschen böse waren. Da heißt es in der Bibel: „Alle Gedankengebilde ihres Herzens waren immer nur auf das Böse gerichtet.“ Und dann hatte Gott die Erde durch eine Flut vernichtet, komplett vernichtet. So erzählte man sich immer wieder von Generation zu Generation. Nur eine einzige Familie, Noahs Familie, und von jeder Gattung  einige Tiere sind einige in die Arche gegangen und haben dieses Gericht Gottes überlebt. Daran erinnerte sich Israel in der babylonischen Gefangenschaft.

Aber Israel erinnerte sich auch daran, dass Gott am Ende der Sintflutgeschichte einen Bund gestiftet hatte, einen Friedensbund: Nie wieder, auch wenn die Menschen böse sind, nie wieder werde ich die Erde so vernichten wie bei der Sintflut. Und als äußeres Zeichen dieses Friedensbundes, dieses Heilsbundes, sagt Gott, setze ich den Regenbogen in die Wolken. Und jedes Mal, wenn euch Unheil überfällt, dann dürft ihr dieses Zeichen des Bundes vor Augen haben, den Regenbogen. Denkt daran: Es wird Unheil kommen, aber ich werde die Welt nie wieder vernichten. Am Ende steht nicht Schrecken und Vernichtung, sondern am Ende steht der Regenbogen, das Zeichen des Bundes und der Treue Gottes.

 

Wir machen von da her einen Sprung in das letzte Buch der Bibel, in die Offenbarung des Johannes. Da werden dem Seher Johannes auch furchtbare Plagen gezeigt, die am Ende über diese Erde kommen. Wenn man das liest, kann man wirklich das Grausen kriegen.

Aber bevor ihm diese Plagen gezeigt werden, darf er zuerst einmal einen Blick tun in den Himmel. Und da sieht er den goldenen Thron Gottes, und der lebendige Gott sitzt auf dem Thron. Und über dem Thron Gottes wieder der Regenbogen, das Zeichen der Treue Gottes. Am Ende steht das Heil Gottes und nicht die Vernichtung, wenn es auch oft durch das Gericht hindurch geht.

 

Schwestern und Brüder, wenn wir heute in unsere Welt hineinschauen, ich bin mir einigermaßen sicher, dass unsere Zeit heute, und zwar zunehmend, den Stempel eines göttlichen Gerichtes trägt. Weil wir Gott verlassen haben; weil wir unser Leben praktisch ohne Gott leben. Das kannst du auf allen Gebieten heute feststellen. Während dieser Gottesdienst stattfindet, läuft im Fernsehen eine Sendung: „Darwin oder Gott“? Es darf an vielen Schulen nicht mehr gelehrt werden, dass der Mensch ein Geschöpf Gottes ist. Nein, der Mensch stammt vom Affen ab, von den Primaten. Und das ist nur ein Bereich. Gott kommt bei uns, in unserem Denken praktisch nicht mehr vor.

Aber in der Bibel steht auch drin: „Gott lässt seiner nicht spotten.“ Und wenn wir unsere Welt heute anschauen, wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht: Wie vieles in unserer westlichen Gesellschaft geht den Bach runter. Von den Kirchen angefangen, über die Gewerkschaften, über unsere Renten, über unser Bildungssystem, über unser Finanzsystem … Du kannst schauen, wohin du willst, es geht alles den Bach runter. Und glaub mir, wir werden uns noch wundern. Ich habe das vor zwanzig Jahren gepredigt, und heute sind wir mitten drin. Ich bin einmal gespannt, was in fünf Jahren sein wird. (*)

 

Damit wir angesichts dieser Situation nicht mutlos werden, und damit wir nicht den Kopf in den Sand stecken müssen, wird es wichtig sein, dass wir angesichts unserer gesellschaftlichen Situation unseren Blick richten auf das Bundeszeichen Gottes, auf den Regenbogen, auf das Zeichen seiner Treue. Und was Gott damals gesagt hat bei der Sintflut, was Gott dem Volk Israel zugesagt hatte in der babylonischen Gefangenschaft, das gilt heute auch. Am Ende steht das Heil Gottes und nicht Unheil und Schrecken.

In dem Maße, wie wir unseren Blick richten auf dieses Bundeszeichen Gottes, in dem Maße wird unser Herz stark werden, und wir werden ermutigt werden, auch wenn es in unserer Welt heute drunter und drüber geht. Gott hat einen Bund gestiftet. Auf ihn gilt es den Blick zu richten.

Gott ist nicht nur barmherzig, das ist kein Gnadenakt Gottes, das ist ein Bund und ein Bund ist ein Vertrag, auf den kann man sich berufen: „Gott, du hast gesagt …, und weil du es gesagt hast, habe ich heute in unserer Gesellschaft Mut und Zuversicht.

 

Die Liturgie der Kirche stellt in diesem Jahr das Zeichen des Regenbogens, das Zeichen der Treue Gottes, an den Anfang der Fastenzeit. Am Ende der Fastenzeit steht wieder ein Bundeszeichen Gottes. Da wird am Karfreitag in den Kirchen das Kreuz enthüllt und aufgerichtet. Und in diesem Kreuz, besser gesagt, in dem Gekreuzigten hat Gott einen neuen und ewigen Bund geschlossen, der durch das Gericht Gottes hindurchgeht. Und wenn die Welt unter dem Gerichtsurteil Gottes steht, dann sagt Jesus gleichsam vom Kreuz herab: „Das Urteil, das die Welt treffen soll, ist bereits vollstreckt.“ Als er am Kreuz verblutet ist und mit dem Schrei starb: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, da ist das Gerichtsurteil Gottes vollstreckt worden. Und darum ist das Kreuz für uns das Zeichen der Erlösung, des Heils, der Rettung und der Treue Gottes.

 

Und ich lade sie ein, in dieser Fastenzeit nicht auf „Süß“ zu verzichten, kann man auch tun. Aber ob du jetzt ein Stück Schokolade mehr oder weniger isst, darauf kommt es überhaupt nicht an, oder ob du eine Flasche Bier getrunken hast, oder ob du eine Zigarette geraucht hast. Aber auf eines kommt es an: Richte deinen Blick in dieser Fastenzeit neu auf das Heilszeichen Gottes, auf den Regenbogen, aber auch: Richte deinen Blick auf das Kreuz Jesu Christi. Und erwarte von ihm Rettung und Heil. Denn seine Zusage gilt auch heute für uns.

Und so möchte ich sie einladen, dass wir heute diese Predigt ganz bewusst abschließen mit einem Osterlied, nicht mit einem Fastenzeitlied, sondern mit einem Osterlied. Und zwar mit der Liedstrophe: „Wir schauen auf zu Jesus Christ, zu ihm, der unsere Hoffnung ist. Wir sind die Glieder, er das Haupt, erlöst ist, wer an Christus glaubt.“ (Gotteslob Nr. 220,4)  Amen.

(*) Ich habe diese Predigt gehalten im Jahr 2006. Inzwischen haben wir das Jahr 2009. Und wir sind jetzt heftiger von Krisen geschüttelt denn je.

 

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Predigttext:      Mk 1,12-15

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Es ist geradezu wie ein Programm, das uns die Kirche über die Fastenzeit stellt. Der Ruf am Ende des Evangeliums heute: „Die Zeit ist erfüllt; das Reich Gottes ist nahe. Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium!“ Man kann sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen: Das ist gleichsam wie ein Programm für das ganze Leben Jesu: „Die Zeit ist erfüllt; das Reich Gottes ist nahe. Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium!“.

 

Ich habe manche Predigt gehört und auch selbst gehalten über diesem programmatischen Satz Jesu. Aber irgendwann ist mir aufgefallen, dass wir meist immer nur die zweite Hälfte verkündet haben: „Bekehrt euch, und glaubt an das Evangelium.“ Aber davor steht noch ein ganz wichtiger Satz: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.“

 

Was ist das eigentlich mit diesem „Reich Gottes“? Immer wieder hat Jesus vom Reich Gottes geredet; und wir reden kaum darüber. Was ist das eigentlich mit dem Reich Gottes?

Das ist sicher nicht ein himmlisches Territorium, ein Gebiet, wo Gott jetzt König ist. So nicht! Den griechischen Ausdruck müsste man eigentlich genauer übersetzen: „Königsherrschaft Gottes“. Reich Gottes, das ist die Beschreibung des Zustandes, wenn Gott wirklich der König, der Herr ist in deinem Leben, wenn Gott Herr ist in einer Familie, wenn Gott Herrscher ist in einem Volk, wenn Gott die Herrschaft antreten darf auf dieser Erde. Wie sieht das dann aus? Alles das ist mit dem Begriff „Reich Gottes“ gemeint: die „Königsherrschaft Gottes“.

 

Wenn damals ein Jude dieses Wort hörte, „das Reich Gottes ist nahe gekommen“, dann hatte er sofort ganz konkrete Vorstellungen, was mit „Herrschaft Gottes“ gemeint ist. Ihm fiel sofort bei diesem Begriff die Zeit ein, wo Gott sein Volk aus Ägypten herausgeführt hat, durch das Rote Meer hindurch, vierzig Jahre durch die Wüste bis ins gelobte Land hinein. Das war die Zeit gewesen, wo Gott wirklich der König war in seinem Volk, wo Gott ganz unmittelbar die Herrschaft hatte, wo Israel noch keinen irdischen König hatte. Das war die Zeit, wo Israel gleichsam die „erste Liebe“ hatte, wie der Prophet Hosea das später ausdrückte. Wie sah das aus, als Gott damals die Herrschaft hatte?

Da konnte der Pharao das Volk in Ägypten noch so sehr unterdrücken, Gott hat den Pharao mit Plagen gezwungen, das Volk aus Ägypten ziehen zu lassen. Gott war der Herr und nicht der Pharao von Ägypten.

Es konnte sein, dass das Volk Israel damals in schwere Notlagen kam. Als sie aus dem Sklavenhaus Ägypten herausgezogen waren, da kommen sie an das Rote Meer. Vor sich das Meer, rechts und links die Wüste, hinter sich die Ägypter, die ihnen nachsetzten. Da schreien sie zu ihrem Gott: Wie soll es denn jetzt weitergehen? Aber Gott hatte die Herrschaft in seinem Volk, und er lässt einen Ostwind kommen. Das Schilfmeer trocknet aus, und Israel kann trockenen Fußes hindurch ziehen.

Es konnte durchaus passieren, dass das Volk Israel in der Wüste Hunger litt und Durst. Aber Gott hatte die Herrschaft in seinem Volk, und wenn Gott das Sagen hat, dann lässt er aus einem Felsen Wasser hervorquellen. Und wenn sie Hunger hatten, dann schickte er ihnen Manna und Wachteln in die Wüste.

 

Wenn Gott die Herrschaft hat, wenn das Reich Gottes anbricht, das wusste jeder Jude, dann geschehen zwei Dinge. Erstens: Wunder werden das Normale, das Alltägliche. Und Zweitens: Die Menschen leben dann in einer totalen Abhängigkeit von Gott. Radikal abhängig. Und das beherrschende Stichwort heißt dann „Gehorsam“, und das fällt den Menschen schwer, damals wie heute.

Als Gott das Sagen hatte in Israel, und als er sie durch die Wüste führte, da finden wir immer wieder die Spuren einer solchen radikalen Abhängigkeit. Gott hat das Volk in der Wüste geführt durch eine Wolkensäule und durch eine Feuersäule. Und wenn die Wolkensäule in der Wüste Halt machte, dann schlug Israel das Lager auf. Und sie sind nicht eher wieder aufgebrochen, bis die Wolken- oder Feuersäule weiterzog. Wenn die Wolkensäule einen Monat lang an einem Ort blieb, gut, dann haben sie eben einen Monat lang gelagert. Und wenn die Wolkensäule am nächsten Morgen weiterzog, dann hat man eben am nächsten Morgen alles zusammengepackt und ist weitermarschiert. Eine vollkommene, totale Abhängigkeit. Ich wünschte, ich könnte mit Ihnen jetzt das ganze Alte Testament einmal lesen. Jedes Mal, wenn das Volk versucht hat, aus dieser Abhängigkeit auszubrechen, dann haben sie eine Niederlage nach der anderen erlebt, dann haben sie Schiffbruch erlitten.

Gott hatte das Sagen in seinem Volk, und Wunder waren das Alltägliche und nicht das Außergewöhnliche.

 

Als dann das Volk Israel in das gelobte Land hineingezogen war, da geschieht in dieser Königsherrschaft Gottes plötzlich unter dem Propheten Samuel ein Bruch. Da kommen die Menschen aus dem Volk Israel zum Propheten Samuel und sagen: „Wir möchten auch einen irdischen König haben. Gott kann man ja nicht sehen. Wir möchten auch so sein wie die anderen Völker und einen irdischen König haben.

Israel hat einen irdischen König bekommen, wie die anderen Völker auch. Der erste König war Saul. Aber auch in einem anderen Sinn ist Israel geworden, wie die anderen Völker. Israel fängt an, genauso wie die anderen Völker, Götzendienst zu treiben.

 

Und je mehr dieses Volk, das einmal unter der Führung Gottes stand und Zeichen und Wunder erlebte, je mehr dieses Volk den Bund mit Gott zerbrochen hat, umso stärker sind sie selbst als Volk zerbrochen.

Zuerst ist das Reich Israel geteilt worden in zwei Reiche: das Nordreich und das Südreich. Ein Teil des Volk nach dem anderen wird in die Verbannung geführt, zunächst das Nordreich nach Assur. Und schließlich wird auch der Rest, das Südreich, in die babylonische Gefangenschaft deportiert. Israel hatte als Volk aufgehört zu existieren.

Sie hatten ihren Gott verlassen und wollten auf eigene Faust Schicksal spielen. Statt sich in einer Notlage an Gott zu wenden, haben sie Bündnispolitik getrieben mit Ägypten, mit Assur, mit Babylon. Und jetzt waren sie zerbrochen. Ein Volk das nicht mehr unter der Herrschaft Gottes stand.

 

Und dann passiert es auf einmal Jahrhunderte später, und wir machen einen Sprung in unser Evangelium hinein, da tritt plötzlich ein Mann auf, Jesus von Nazareth. Und er verkündet: „Die Zeit ist erfüllt; das Reich Gottes ist nahe, es ist angebrochen.“ Und seit Jahrhunderten zum erstenmal konnte man in der Person Jesu wieder ablesen, wie das ist, wenn Gott die Herrschaft hat bei einem Menschen.

Und genau das Gleiche, was im Alten Testament geschieht, das geschieht auch im Leben Jesu wieder. Diese zwei Aspekte: Auf der einen Seite die totale Abhängigkeit dieses Jesus von Nazareth vom Vater. Wenn er etwa im Johannesevangelium immer wieder Formulierungen gebraucht: „Ich kann nichts von mir aus tun, sondern nur was ich den Vater tun sehe, das tue ich.“ „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“, sagt er auf der Hochzeit zu Kana. So kann das ganze Leben Jesu beschrieben werden unter dem Stichwort „Gehorsam“, Gehorsam bis zum Tod am Kreuz. Wir kennen die Szene am Ölberg, wo er ringt, bis aufs Blut ringt: „Vater, wenn es möglich ist, wenn es nach meinem Willen geht, dann lass diesen Kelch vorübergehen. Aber es geht nicht nach meinem Willen, sondern wie du es willst.“ Das war für ihn auch nicht leicht, das hat Kampf gekostet. Es hat Versuchung gekostet auch für ihn. Aber Herrschaft Gottes steht immer unter dem Stichwort „radikale Abhängigkeit“, „radikaler Gehorsam“.

 

Aber im Leben Jesu wird auch das Andere wieder sichtbar, der zweite Aspekt: Die Zeichen der Königsherrschaft Gottes, die Zeichen der Königsherrlichkeit werden in seinem Leben wieder sichtbar. Diese Zeichen, die die Propheten angekündigt haben: Wenn Gott die Herrschaft hat, dann werden Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Sünder, die ganz unten sind, werden wieder aufgerichtet. Die Liebe Gottes wird den Menschen verkündet. Es wird Vergebung geschenkt.

All das sehen wir im Leben Jesu verwirklicht. Wir sehen, wie er sich den Sündern zugewandt hat, wie er sie nicht in den Schmutz gestoßen hat, sondern wie er ihnen eine neue Würde geschenkt hat. Wir sehen, wie er mit fünf Broten und zwei Fischen fünftausend Leute gesättigt hat. Wir sehen, mit welch göttlicher Vollmacht er noch vom Kreuz herab seinen Spöttern ein Wort der Vergebung zusagt. Das sind die Zeichen der Königsherrschaft Gottes.

 

Und jetzt gehen wir noch einen Schritt weiter. Jesus hat gesagt: Diese Zeichen, diese Werke, die ich getan habe, die sollt ihr genauso tun wie ich. Und ihr sollt noch größere Werke tun. Die Zeichen der Königsherrschaft Gottes sind nicht beschränkt auf das Volk Israel und auf das Leben Jesu. Auch in unserem Leben soll diese Herrlichkeit sichtbar werden. Diese göttliche Vollmacht der Liebe, die Vollmacht des Vergebens, die göttliche Vollmacht, einen anderen zu trösten, ihn wieder aufzurichten, die Vollmacht, Kranke zu heilen. All das ist uns heute zugesagt.

 

Und wenn man das alles weiß, dass Gott seine Herrschaft mit den Zeichen und Wundern auch in unserer Zeit ausüben will, dann erst trifft uns im Evangelium der Ruf: „Bekehrt euch!“ Und dann entdeckt man auf einmal: „Bekehrt euch“, damit ist nicht gemeint: Geht jetzt in den Beichtstuhl und beichtet: „Ich habe gelogen, ich habe genascht, ich bin ungehorsam gewesen“. Das meint Jesus nicht, wenn er sagt: „Bekehrt euch!

Bekehrung bedeutet vielmehr: Tritt selber aus dem Mittelpunkt heraus, und mach Gott, den lebendigen Gott, zum Mittelpunkt deines Lebens. Bekehrung bedeutet: Lebt nicht mehr nach eueren eigenen Vorstellungen, nach eurem eigenen Belieben, nach eurem eigenen Willen. „Wir möchten uns selbst verwirklichen.“ Bekehrung bedeutet, dass Du bereit bist, dich dem Willen Gottes ganz zu unterstellen. „Gott, du sollst die Nummer Eins sein in meinem Leben.“ Du sollst nicht nur so eine Randfigur sein nach dem Motto: Erst kommt das Geschäft, dann kommt die Freizeit, dann kommen die Kinder, dann kommt das Hobby ... Und irgendwann kommt dann auch Gott. So nicht, sondern: „Gott, du sollst die Mitte meines Lebens sein. Ich bin bereit, mein Leben deinem Willen ganz zu unterstellen, auch da, wo es mir schwer fällt, auch da, wo es mir vielleicht gar nicht passt.

 

In dem Maße, wie ein Mensch das tut, werden auch heute wieder die Zeichen dieser Königsherrlichkeit Gottes sichtbar. Schauen Sie sich das Leben der großen Heiligen an. Das waren Männer und Frauen, die auf der einen Seite ganz ihr Leben Gott hingegeben haben, die auf der anderen Seite aber auch Zeichen und Wunder erlebt haben, wie damals das Volk Israel und so wie Jesus selbst.

 

Heute, zu Beginn der Fastenzeit, wo wir uns versammelt haben zum Gottesdienst, zur Verherrlichung des lebendigen Gottes, heute ergeht an Dich der Ruf: „Bekehre dich! Kehr um! Mach Gott zum Mittelpunkt deines Lebens!“

Gottesdienst ist nicht nur eine Sache der Lippen, dass wir ein Loblied singen, sondern dass wir unser Herz öffnen, dass wir ihm den Thron unseres Lebens übergeben: Du sollst der Herr sein in meinem Leben. Du sollst der Herr sein in unserer Familie. Du sollst der Herr sein in unserer Gemeinde, in unserer Stadt, in unserem Land und auf der ganzen Erde. Und glauben Sie mir: Gott wird Zeichen und Wunder wirken in deinem Leben, in unserem Volk, wenn wir umkehren. Das Reich Gottes ist nahe.  Amen.

 

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