Pfarrer Karl Sendker  

 

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2. Fastensonntag B
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Predigten

Predigtverzeichnis  nach Bibelstellen geordnet

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Predigt zur 1. Lesung:   Gen 22,1-18

Predigt zum Evangelium:   Mk 9,2-10    im mp3 Format      als Video

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Predigttext:      Gen 22,1-18

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Drei Tage und drei Nächte gingen Abraham und sein Sohn Isaak zum Berg Morija.

Gott hatte den Abraham gerufen: „Abraham!“ Und Abraham hatte geantwortet: „Hier bin ich!“

Aber dann war dieser Ruf Gottes wie ein Schwertstich in sein Herz: „Nimm deinen Sohn, den einzigen, den du lieb hast, den Isaak, und bring ihn mir auf dem Berg, den ich dir zeige, als Brandopfer dar.

 

Wir wissen ja, wie die Geschichte ausgeht, aber Abraham weiß das nicht. Es scheint so, als wie wenn Gott immer tiefer in eine Wunde hineinstößt. „Nimm deinen Sohn!“ „Den einzigen!“ „Den du lieb hast!“ Immer tiefer stößt Gott das Schwert in diese Wunde.

Und jetzt geht Abraham diesen Gehorsamsweg mit Isaak. Und so ein Weg kann sehr lang werden.

 

Wir wissen nicht, was Abraham fühlte. Natürlich war Schmerz in seinem Herzen. Wer bringt schon freudig oder gelassen so ein Opfer. Aber über den menschlichen Schmerz hinaus hat die Geschichte noch eine viel tiefere Dimension. Der gleiche Gott, der jetzt verlangt: „Gib mir den Isaak als Brandopfer“, der gleiche Gott hatte früher gesagt: „Durch diesen
Isaak sollen dir Nachkommen werden so zahlreich wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Ufer des Meeres.“

Von dieser Nachkommenschaft war weit und breit nichts zu sehen. Nur der Isaak.

Und den soll ich jetzt opfern? Es kann doch nur eins gelten: Entweder bekomme ich durch ihn Nachkommen, oder ich bringe ihn Gott als Brandopfer. Es kann doch nicht beides gleichzeitig richtig sein. Oder habe ich vielleicht Gott missverstanden, irgendwann einmal?

Und außerdem hatte der gleiche Gott ausdrücklich verboten, Menschenopfer darzubringen, Kinder zum Opfer darzubringen. „Das machen die Heiden“, hat Gott gesagt, „aber euch, dem Volk Israel, ist das verboten.“

Und jetzt erwartet Gott genau das von mir.

 

Und Abraham geht diesen langen Weg. An einer Stelle dieser Geschichte dürfen wir kurz in das Herz Abrahams schauen. Wir dürfen sehen, was er im Herzen geglaubt hat. (Abraham wird ja der Vater des Glaubens genannt.)

Als Abraham seine Knechte zurücklässt und mit Isaak allein weitergehen will, da sagt er zu den Knechten: „Ich und der Knabe wollen weitergehen zum Berg, und wir wollen Gott anbeten. Diese Hingabe, dieses Opfer, das Gott von ihm verlangt, empfindet Abraham als Anbetung. Er hadert nicht, sondern er sagt: „Wir wollen Gott anbeten.“ Und da spürt man auch, was Anbetung ist. Anbetung bedeutet nicht, dass wir in der heiligen Messe im Gloria beten: „Wir loben dich, wir preisen dich, wir beten dich an.“ Anbetung ist im Letzten Hingabe, Ganzhingabe. Das ist Anbetung.

 

Noch eine Kleinigkeit, da liest man ganz schnell drüber weg. Sie zeigt, was Abraham im Herzen glaubt. Er sagt zu den Knechten: „Bleibt ihr hier, ich und der Knabe werden zum Berg gehen und anbeten. Dann kommen wir zu euch zurück.“ Interessant ist, dass Abraham nicht sagt: „Dann komme ich zu euch zurück“, sondern dass er sagt: „Dann kommen wir zu euch zurück.“ Irgendwie war er sich in Herzen gewiss: Ich werde von dieser Glaubensprobe nicht allein zurückkommen.

Er weiß nicht, wie Gott das hinkriegt, aber er ist im tiefsten Herzen gewiss, ich komme zusammen mit dem Knaben wieder zu euch zurück.

 

Und er geht diesen langen Weg mit Isaak allein weiter. Und unterwegs fragt ihn dann plötzlich Isaak: „Vater, wir haben hier Holz, wir haben auch Feuer, aber wo ist denn das Lamm für das Opfer?“

Was soll Abraham darauf antworten?

Aber dann lässt uns die Antwort, die Abraham dem Isaak gibt, wieder ein Stück in sein Herz hineinschauen. Er sagt seinem Sohn Isaak: „Gott wird sich sein Opferlamm schon ausersehen.“ Damit legt er die Antwort in die Hand Gottes. Und damit legt er seinen Sohn Isaak, sein ganzes Schicksal in die Hand Gottes. „Gott wird sich das Opfer schon ausersehen.“

Gott hat diese Glaubensprobe Abrahams angenommen, und wir wissen wie sie ausgegangen ist.

 

Diese Geschichte hat an uns heute die Frage: Wo ist Dein „Isaak“, das Liebste, was Du hast? Und wenn Gott Dich fragt: „Bist du bereit, mir deinen „Isaak“ zu opfern“, was ist dann? Dein „Isaak“ kann auch im buchstäblichen Sinn Dein Kind sein, das Du Gott hingeben sollst. Vielleicht holt Gott das sogar durch den Tod. Dein „Isaak“ kann der Ehepartner sein, kann eine Freundschaft sein, die Gott Dir plötzlich nimmt. Dein
„Isaak“ kann aber auch ein Hobby sein, das dir lieb geworden ist, das dir ans Herz gewachsen ist. Dein Besitz kann Dein „Isaak“ sein.

Was ist das Liebste in deinem Leben?

Und dann fragt dich Gott: „Bist du bereit, das zu opfern, das hinzugeben?“

 

Abraham hätte sich auch drücken können. Gott hätte ihn nicht dafür bestraft. Aber wenn Abraham nicht zu dieser Hingabe bereit gewesen wäre, dann wäre er wohl nicht der Segensträger geworden, zu dem Gott ihn gemacht hat bis auf den heutigen Tag. Wir alle haben ja als Glaubende unsere Wurzeln in Abraham. Er ist der Stammvater unseres Glaubens bis heute.

Segensträger kann nur der sein, der bereit ist zur Hingabe, zur Ganzhingabe.

 

Ich muss noch zwei Nachbemerkungen machen.

Die erste Nachbemerkung: Der erste Satz dieser Lesung ist in unserem Gottesdienst unvollständig gelesen worden; der steht in der Bibel ein bisschen anders. In der Bibel fängt der erste Satz an: „Nach diesen Ereignissen stellte Gott Abraham auf die Probe.“ Diese Bemerkung ist mir wichtig: „Nach diesen Ereignissen.“

Abraham hatte schon einen langen Glaubensweg hinter sich. Diese Glaubensprobe legte ihm Gott am Ende seines Glaubensweges auf, und nicht am Anfang. Er hatte Gott bereits kennen gelernt.

Gott hatte früher zu ihm gesagt: „Zieh fort aus deinem Vaterhaus, aus deiner Verwandtschaft!“ Und Abraham ist losgezogen. Gott hatte ihm gesagt: „Du wirst einen Sohn bekommen.“ Nun war Abraham älter und älter geworden, und auch Sara seine Frau wurde älter und älter, und Gott hatte ihnen kein Kind geschenkt. Schließlich, im hohen Alter, hat Gott ihm dann den Isaak geschenkt.

Abraham wusste aus Erfahrung, dass für Gott nichts unmöglich ist. Und erst am Ende seines langen Glaubensweges kommt diese Glaubensprobe: „Bring deinen Sohn als Opfer dar.“

Gott überfordert einen Menschen nicht. Er weiß ganz genau, was er uns zu welcher Zeit zumuten kann.

 

Noch eine zweite Nachbemerkung.

Wir stehen in der Fastenzeit; und in der Fastenzeit betrachten wir oft den Kreuzweg, den Leidensweg Jesu. Aber haben Sie einmal darüber nachgedacht, dass es nicht nur der Leidensweg Jesu ist? Da steht im Johannesevangelium der Satz: „Gott (der Vater) hat die Welt so geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab.“

Es ist auch ein Leidensweg des Vaters im Himmel. Wir dürfen das nicht vergessen, dass er seinen Sohn hingegeben hat. Er musste zusehen, als Jesus blutend am Kreuz hing wie ein Verfluchter.

Aber auch hier gilt, was in der Abrahamsgeschichte galt: Als Jesus sein Leben hingab, und als der Vater seinen Sohn hingab, da wurde dieses Opfer zum Segen für die Welt. Es wurde die Erlösungstat für uns Menschen schlechthin.

Wer Segensträger sein will für die Welt, der muss bereit sein, seinen
„Isaak“ hinzugeben. Das gilt auch heute. Amen.

 

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Predigttext:  Mk 9,2-10

 

Predigt im MP3 Format

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Wenn im Fernsehen am Sonntagabend ein spannender Film gezeigt werden soll, dann ist das heute meistens so, dass in den Tagen vorher zwischen den einzelnen Programmteilen ein Programmhinweis gesendet wird, eine Vorschau. So ein Programmhinweis soll die Leute auf den Geschmack bringen, damit sie am Sonntagabend dieses Programm einschalten und den Film anschauen. Und bei solchen Programmhinweisen, bei dieser Vorschau, ist es normalerweise so: da werden für ein paar Sekunden die spannendsten Szenen aus diesem Film zusammengeschnitten. Und manchmal, wenn ich das gesehen habe, dann habe ich schon gedacht: Ach, wenn es doch jetzt weiter ginge. Aber auf dem Höhepunkt, wenn es am spannendsten wird, dann bricht es plötzlich ab. Und dann kommt der Hinweis: Sonntag 20.15 Uhr auf diesem Kanal.

 

So ein Programmhinweis, so eine Vorschau ist eigentlich auch die Begebenheit von der Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor. Es ist ein Programmhinweis Gottes auf die Herrlichkeit der Auferstehung, auf den Glanz der Himmelfahrt und auf die Herrlichkeit bei der Wiederkunft Christi. Gott schenkt uns gleichsam so einen Programmhinweis, eine Ankündigung.

 

Wenn man dieses Evangelium richtig verstehen will, dann muss man sich vor Augen halten, in welcher Situation Jesus und die Jünger damals waren.

Es war die Zeit, als die Pharisäer den Entschluss gefasst hatten, Jesus umzubringen.

Es war die Zeit, als Jesus selbst immer deutlicher klar wurde: Mein Weg nach Jerusalem endet nicht wie ein strahlender Wundertäter, nein, mein Weg endet am Kreuz.

Es war die Zeit, als Jesus anfing, zu seinen Jüngern ganz offen davon zu reden: In Jerusalem werde ich den Heiden ausgeliefert, und sie werden mich töten; am dritten Tag aber werde ich auferstehn. Und man spürt noch, wenn man die Evangelien liest, die Erschütterung, die das mit sich gebracht hat, für Jesus selbst, und auch für die Apostel. Petrus sagt zu ihm, als Jesus davon redet: „Das verhüte Gott, das darf auf gar keinen Fall geschehen.“

Es war die Zeit, als Jesus den Jüngern in aller Deutlichkeit sagte: Ihr werdet alle den gleichen Weg gehen, den Kreuzweg. „Wer mein Jünger sein will, der muss bereit sein, sein Kreuz auf sich zu nehmen und mir so nach zu folgen.“ Es gibt da keine Abkürzung. Alle werden diesen Weg geführt.

 

Und mitten in diese Situation hinein, wo es immer dunkler wurde auf dem Lebensweg Jesu, wo sich alles zusammenbraute über seinem Kopf, wo alles auf Sterben und aufs Kreuz hin lief, da schenkt ihm der Vater im Himmel gleichsam so eine Vorschau auf das Ende, auf das Ziel. Er zeigt ihm und den drei Aposteln, die dabei waren: Das Ende ist nicht Dunkelheit, sondern Glanz. Das Ende ist nicht das Kreuz. Das ist nur der Weg. Das Ende ist die Herrlichkeit beim Vater im Himmel.

Natürlich man kann sich gut vorstellen, als der Vater im Himmel ihm die ganze Herrlichkeit zeigt, dass Petrus das festhalten will. „Herr es ist gut, dass wir hier sind; lass uns hier drei Hütten bauen.“ Sie wollen diese Erfahrung des Glanzes festhalten. Aber sie konnten es nicht festhalten. Es war noch nicht das Ziel, es war nur die Vorschau auf das Ziel.

Jesus und die drei Apostel müssen wieder vom Berg runter. Sie müssen diesen dunklen Weg des Leidens bis zum Kreuz, bis zum Karfreitag weiter gehen.

 

Aber eins gilt auch: Nach dieser Erfahrung auf dem Berg Tabor, wo Gott ihnen eine Vorschau gegeben hat auf die Herrlichkeit, gehen sie diesen dunklen Weg anders als vorher.

Von Jesus wird im Lukasevangelium an der Stelle gesagt: „Von diesem Augenblick an nahm er entschlossen seinen Weg nach Jerusalem.“ Da war alle Unsicherheit von ihm weggenommen; er nahm entschlossen seinen Weg in die Stadt, in der er gekreuzigt werden sollte.

Aber auch die Apostel, die das ja anfangs überhaupt nicht verstanden haben, diese Ankündigung der Auferstehung, auch die Apostel sind von diesem Ereignis im tiefsten Herzen geprägt worden, und sie gehen ihren Weg anders. Viel später schreibt der Apostel Petrus einmal einen Brief an die Gemeinden. Und als er dann auf die Wiederkunft Christi zu sprechen kommt, die in Glanz und Herrlichkeit sein wird, da schreibt er den Gemeinden: „Als wir euch von der Wiederkunft Christi erzählt haben, da sind wir doch nicht irgendwelchen Märchen oder Fabeln gefolgt. Nein, wir sind Augenzeugen seiner Herrlichkeit gewesen auf dem Berge, und wir haben selber die Stimme Gottes gehört: „Das ist mein geliebter Sohn, ihn sollt ihr hören.“ Das war keine Einbildung.

So tief sind Jesus und die Apostel davon geprägt worden. Es war noch nicht das Ziel, aber es war die Vorschau auf das Ziel, die sie geprägt hat.

 

Schwestern und Brüder, jeder von uns wird wohl auch so einen Weg der Dunkelheit geführt werden, der eine so, der andere so. Gott bewahrt uns nicht vor diesem dunklen Weg. Gott bewahrt uns nicht vor dem Kreuz und Gott bewahrt uns nicht vor dem Leid. Aber eins tut Gott: Auf diesem dunklen Weg, im Leid, da bewahrt er uns. Nicht vor dem Leid, sondern im Leid. Und er schenkt uns auf diesem dunklen Weg immer wieder solche Lichtblicke, wo er uns zeigt, was das Ziel ist.

 

Ich will Ihnen dafür ein paar Beispiele sagen. Eins aus der heiligen Schrift und eins aus unserer Zeit.

Sehen Sie, wenige Monate nach der Himmelfahrt Jesu tritt in Jerusalem ein Mann auf namens Stephanus. Der hat für Jesus geglüht, für Jesus gebrannt. Und als die Juden seine Botschaft über Jesus nicht annehmen wollen, und als sie dann plötzlich keine Argumente mehr haben, da bleiben ihnen als letzte Argumente nur die Pflastersteine übrig, mit denen sie ihn steinigen. Aber dann, als die Steine flogen, da heißt es über diesem Stephanus: „Die Leute sahen sein Angesicht leuchten wie das eines Engels.“ Gut, der Mann ist gestorben; er ist unter den Steinen tot zusammengebrochen. Aber im Sterben, als er zusammenbricht, da ruft er noch aus: „Ich sehe den Himmel offen, und ich sehe den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“ Das ist diese Erfahrung: Mitten im Zerbruch, wo es ans Sterben geht, darf er die Herrlichkeit Gottes sehen.

Oder ein anderes Beispiel aus unseren Tagen. Etwas, was mich bis ins Tiefste geprägt hat. Ich habe als Kaplan einmal einen alten Mann betreut, der furchtbare Qualen gelitten hat. Ein Bergmann in Recklinghausen. Den hatten sie aus dem Krankenhaus entlassen, weil man ihm sowieso nicht mehr helfen konnte. Und die Familie hatte eine große Wohnung, die konnten ihn auch pflegen. Dort sollte er wenigsten die letzten Wochen, oder die Zeit, die er noch hatte, im Kreis der Familie sein. Aber alle, die ihn gesehen haben, haben ganz hilflos daneben gestanden. Ich sehe ihn noch, wie er mit einem schmerzverzerrten Gesicht in seinem großen Opasessel saß, und sich nicht helfen konnte. Und die Angehörigen haben mir gesagt: Es ist manchmal nicht zum Aushalten, wenn wir mit ansehen müssen, wie unser Opa leidet; und keiner kann ihm helfen.

Ich habe diesem alten Mann an jedem Herz-Jesu-Freitag die Krankenkommunion gebracht. Da hätten sie sehen sollen, wenn ich ihm die Kommunion brachte, wie dann ein Leuchten auf sein Gesicht kam, ein Strahlen. Da war nichts mehr von diesem schmerzverzerrten Gesicht da. Ich habe ihn einmal gefragt: Sagen Sie mal, haben sie denn jetzt keine Schmerzen mehr? Ich konnte mir das gar nicht vorstellen. „Doch“, sagte er, „die Schmerzen sind noch genauso groß, aber jetzt ist doch Jesus da.“ Und ich weiß noch gut, am letzten Herz-Jesu-Freitag vor Weihnachten, als ich mich verabschiedete, da sagte er zu mir: „Wissen sie, Herr Kaplan, Weihnachten bin ich zu Hause.“ Ich sagte zu ihm: „Sie sind doch zu Hause.“ „Nein“, sagt er, „das mein ich nicht. Weihnachten, dann hat mich Jesus nach Hause geholt.“

Überlegen Sie mal was das bedeutet. Da hat ein Mann das Sterben vor Augen, leidet furchtbarste Qualen, und kann er so vom Tod reden: „Dann holt mich Jesus nach Hause“, mit einem leuchtenden und strahlenden Gesicht.

Das ist Verklärung auf dem dunklen Weg, wo Gott uns eine Perspektive schenkt wie es am Ziel einmal sein wird.

Aber ich will ihnen noch eine Erfahrung erzählen, die jetzt nicht auf einen einzelnen Menschen bezogen ist, sondern auf die Kirche als Ganzes. Ich habe als Jugendlicher schon furchtbar darunter gelitten, weil ich die Kirche sehr geliebt habe, dass die Kirche als Leib Christi in so viele Hunderte von Konfessionen zersplittert und gespalten ist. Und ich habe so oft mit Gott in meinem Gebet gerungen: Warum lässt du das zu? Du hast doch nicht hundert Leiber, sondern einen einzigen Leib.

Und dann haben wir erlebt, wie mühsam das war mit den ganzen ökumenischen Bewegungen, und wie viele Rückschläge damit verbunden waren. Wenn man gehofft hatte, jetzt kommt ein Lichtblick, dann war alles wieder nur eine Seifenblase gewesen.

Mitten in diese Zeit hinein, in den Siebzigerjahren, hat Gott mir Christen über den Weg geschickt in Braunschweig und in Hannover aus allen möglichen Konfessionen: Methodisten, Baptisten, da waren von katholischen Schwestern, Klarissen dabei, Pfarrer dabei alte und junge, manche die zu gar keiner Kirche gehörten, die sich als ‚evangelistische Speerspitze’ bezeichneten. Eine ganz bunte Schar. Aber wir sind im Lobpreis Gottes in einer so tiefen Weise eins geworden, wie ich das vorher nie erlebt habe und auch hinterher nie wieder erlebt habe.

Gut, wir haben nicht die Eucharistie gefeiert, wir konnten ja nicht gemeinsam zur Kommunion gehen oder zum Abendmahl. Wir haben uns über die Vorschriften der Kirche nicht einfach hinweggesetzt. Aber Gott hat uns eine andere Form der ‚Communio’ geschenkt. Communio heißt ja Gemeinschaft. Der Friedensgruß im Wortgottesdienst ist für uns der tiefste Ausdruck der Communio, der Gemeinschaft geworden. Wir waren eins, und jeder spürte: Das war nicht nur ein Wort, wenn wir von Brüdern und Schwestern redeten, sondern wir waren wirklich vor Gott wie eine große Familie, und es war wirklich wie ein Stück Himmel auf Erden.

Und dann auf einmal, innerhalb von kürzester Zeit war, das alles wieder weg. Keiner von uns weiß eigentlich genau, woran es lag. Es war irgendwie zerbrochen. Viel später ist mir erst bewusst geworden: Damals hat Gott mir, wo ich so sehr um die Einheit der Kirche gerungen hatte, da hat Gott mir so einen Augenblick der Verklärung geschenkt. Da hat er mir gezeigt, wie er sich die Kirche denkt, welches Ziel er mit seiner Kirche hat: diese tiefste Einheit im Lobpreis Gottes.

Gut, für mich ist es heute immer noch ein Schmerz, und es ist für mich und für die ganze Kirche immer noch mühselig, die ganzen ökumenischen Schritte die wir da machen. Letztlich kann man kann es ja gar nicht machen. Aber seit diesen Erfahrungen in den Siebzigerjahren habe ich ein Ziel vor Augen. Ich lebe anders und mit einer neuen Liebe in dieser getrennten Kirche.

Sehen Sie, das ist es, was Gott uns schenkt: Wir müssen den dunklen Weg zu Ende gehen; wir können ihn nicht abkürzen. Wir können die Einheit der Kirche nicht machen. Aber Gott schenkt uns eine Vorschau auf das Ziel, das er mit den Menschen hat, das er mit dir hat, das er mit der Kirche und mit der Welt hat.

 

Und eins ist sicher: Wenn Du am Freitagabend im Fernsehen einen Programmhinweis siehst auf den Sonntag, dann kommt der Film auch am Sonntag. Und wenn Gott uns so eine Programmvorschau schenkt, dann dürfen wir sicher sein: Die Herrlichkeit kommt. Es ist eine reine Frage der Zeit.

Aber du gehst den Weg der Dunkelheit anders nach einer solchen Erfahrung.   Amen.

 

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