Pfarrer Karl Sendker  

 

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2. Ostersonntag B
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Predigten

Predigtverzeichnis  nach Bibelstellen geordnet

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unter dem Stichwort Kassettendienst .

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Predigt zur 2. Lesung:  1 Joh 5,1-6

Predigt zum Evangelium:  Joh 20,19-31  (Thomas)     Predigt als Video

Predigt zum Evangelium:   Joh 20,19-23

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Predigttext:      1 Joh 5,1-6

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Der Evangelist und Apostel Johannes hat manchmal in seinem Brief, den er geschrieben hat, aus den wir eben die Lesung gehört haben, eine ganz merkwürdige Logik, die uns heute oft total fremd ist. Da schreibt er z.B. in dem Abschnitt, den wir eben gehört haben: Die Liebe zu Gott besteht darin … Und wenn wir diesen Brief geschrieben hätten, dann hätten wir wahrscheinlich geschrieben: Die Liebe zu Gott besteht darin, dass man ein inniges Verhältnis zu Jesus hat, oder vielleicht, dass man inbrünstig betet, oder dass man einen starken Glauben hat, dass man nicht nur seine religiösen Pflichten erfüllt, dass man nicht nur Dienst nach Vorschrift macht, sondern dass man darüber hinaus noch etwas tut.

Aber ganz anders der Apostel Johannes. Er schreibt ganz schlicht: „Die Liebe zu Gott besteht darin, dass wir seine Gebote halten.“ So einfach ist das. „Die Liebe zu Gott besteht darin, dass wir seine Gebote halten.“

Vielleicht hat Johannes noch im Ohr, wie Jesus selber gesagt hatte: „Wenn ihr mich liebt, dann haltet meine Gebote, so wie ich meinen Vater liebe und seine Gebote gehalten habe.“

Und noch etwas ist merkwürdig. Da schreibt Johannes in diesem Abschnitt: „Seine Gebote sind nicht schwer.“ Fragen Sie heute einmal irgendeinen Katholiken, ob die Gebote Gottes schwer oder leicht sind. Sie werden mit Sicherheit überwiegend die Antwort bekommen: Die Gebote Gottes sind schwer.

Vielleicht sagt jemand von uns: Ich habe noch keinen umgebracht. Aber wenn Jesus in der Bergpredigt das Gebot so verschärft, dass er sagt: „Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Mörder, der hat ihn in seinem Herzen schon umgebracht.“ Dann ist das wirklich schwer.

Oder wenn Jesus das Gebot der Nächstenliebe noch verschärft: Du sollst seine Feinde lieben. Diejenigen, die die dir auf den Geist gehen, die dich verleumdet haben, die dich durch ihre Verleumdung um deinen Arbeitsplatz gebracht haben. Und dann kommt Johannes und schreibt: „Seine Gebote sind nicht schwer.“

 

Wieso kann Johannes das schreiben: „Seine Gebote sind nicht schwer.“ Und dabei empfinden wir die Gebote Gottes immer als schwer. Das muss doch irgendeinen Grund haben.

Der Grund liegt darin, dass wir Menschen und auch wir Christen in einer Welt leben, die einen anderen Maßstab hat als die Gebote Gottes. Und mit diesem Maßstab der Welt werden wir jeden Tag ständig konfrontiert.

Da sagt uns das Gebot Gottes in den zehn Geboten: „Du sollst nicht stehlen.“ Und dann kommt der Maßstab dieser Welt und sagt: „Wenn nur das Finanzamt betrügst, dann tust du damit keinem weh.“

Da kommt das Gebot Gottes und sagt: „Du sollst nicht Unzucht treiben.“ Und dann kommt der Maßstab dieser Welt und sagt: „Einmal ist keinmal.“ Der sagt das Gebot Gottes: „Du sollst nicht ehebrechen.“ Und dann sagt der Maßstab dieser Welt: „Ehebruch kann eine therapeutische Maßnahme sein.“ Oder: „Partnertausch ist ein Gesellschaftsspiel, das darf man heute nicht so eng sehen.“

Das sagt das Gebot Gottes: „Du sollst den Tag des Herrn heilig halten.“ Und dann kommt der Maßstab dieser mehr Welt und sagt: „Wir dürfen doch die Maschinen nicht abstellen.“ Oder: „Wann soll ein Geschäftsmann denn seine Bücher führen?“ Oder: „Jetzt gerade so gutes Wetter, da müssen wir Heu einfahren.“

Der Maßstab dieser Welt schnürt uns so sehr ein, dass wir die ganz deutlichen, klaren Gebote Gottes als schwer empfinden. Und keiner kann sich dem entziehen. Und das macht uns Not.

 

Johannes gibt in diesen Lesungsabschnitt zwei Aspekte an, wie wir mit diesem Maßstab dieser Welt fertig werden können. Und wenn man diese beiden Aspekte beherzigt, dann wird auch das Gebot Gottes leicht.

Das Erste:

Er schreibt: „Das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat, wenn jemand von Gott abstammt.“ „Jeder, der von Gott abstammt, besiegt die Welt.“ Man könnte dieses Wort aus so übersetzen: Jeder, der aus Gott geboren ist, oder: der aus Gott gezeugt ist, der besiegt die Welt.

Wichtig ist nicht, dass wir uns ein bisschen mehr Mühe geben. Das haben wir alle schon probiert und schaffen es doch nicht. Das Entscheidende ist vielmehr, dass in uns die Wesensart Gottes ist. So wie Paulus das einmal im Galaterbrief ausgedrückt hat: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ Das ist das entscheidende Kennzeichen.

Wir haben in Deutschland eine Redensart: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“ Das meint. dass der Sohn oder die Tochter die gleiche Wesensart haben wie der Vater und die Mutter. Aber das gilt im Glauben genau so: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“ Es ist wichtig, dass die Wesensart Gottes in uns ausgeprägt ist.

Das Gleiche hat der Apostel Petrus in einem Brief einmal geschrieben: „Wir bekommen Anteil an der göttlichen Natur.“ Das ist das Entscheidende. Wenn nun Christus in mir ist, wenn ich Anteil bekommen habe an seiner Natur, dann wird der ‚Christus in mir’ die Gebote Gottes erfüllen, und nicht mehr ich selbst aus eigener Kraft.

In der Bergpredigt hat Jesus einmal gesagt: „Ich bin nicht gekommen, das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin gekommen, um sie zu erfüllen.“ Das bedeutet aber: Er ist es, der die Gebote erfüllt, und nicht mehr wir. Und dann wird die Erfüllung der Gebote auf einmal völlig entspannend.

 

„Jeder, der aus Gott geboren ist, besiegt die Welt.“ Das ist letztlich die Frage unsere Taufspiritualität. Durch die Taufe wird jemand aus Gott geboren. Das ist ein theologischer Satz. Die weitaus meisten von uns sind als kleine Babys getauft worden. Da konnte keiner von uns etwas dafür. Aber eine entscheidende Frage ist: Habe ich irgendwann einmal in meinem Leben dieses Taufversprechen ganz persönlich gleichsam ratifiziert? Habe ich als erwachsener Mensch mein persönliches Ja gesagt zu dem, was die Eltern und Paten stellvertretend für mich bei der Taufe versprochen haben? Ja, das soll für mich gelten. In dem Augenblick, wo jemand das tut, da prägt sich das göttliche Wesen in unseren Herzen ein. Und das ist das erste, wodurch wir die Welt und den Maßstab dieser Welt besiegen können.

 

Aber noch ein Zweites sagt Johannes:

„Wer sonst besiegt die Welt, als derjenige, der glaubt?“ „Das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube.“ Auch hier muss man paar Worte dazu sagen. Glaube bedeutet nicht, dass ich jetzt in der Osterzeit singe: „Wahrer Gott für glauben dir ...“ Dass ist damit nicht gemeint. Sondern Glaube bedeutet, dass ich in einer konkreten alltäglichen Situation davon Gebrauch mache, was an geistlicher Kraft in mit ist, weil Christus in mir lebt.

Ich möchte es mit einem Beispiel aus der Technik sagen: Wenn in ihrem Haus elektrischer Strom ist, die Kraft des elektrischen Stroms, dann ist etwas äußerst Hilfreiches. Aber ‚glauben’ bedeutet dann, dass ich auch den Stecker in die Steckdose stecke, dass ich den Lichtschalter einschalte und die Kraft des elektrischen Stroms ganz praktisch in Anspruch nehme. Auf unsere Situation als Christen bezogen, bedeutet das, dass ich in einer konkreten Situation, wo die Anfechtungen kommen, wo Maßstab dieser Welt mich gleichsam zu Fall bringen will, dass ich in diesem Augenblick sage: Jesus, du bist in mir. Ich muss mich nicht krampfhaft bemühen. Ich muss mir nicht Liebe aus den Fingern saugen, wo bei mir gar keine Liebe da ist. Aber du bist in mir, und ich danke dir dafür, dass du in mir bist. Und ich bitte dich jetzt, dass du dieses Gebot erfüllst, dass du dem Anderen Liebe schenkst durch mich, durch meine Hände, durch meine Lippen, durch meinen freundlichen Blick. Das bedeutet ganz praktisch, das, was Wirklichkeit ist, nämlich die geistliche Kraft, in Anspruch nehmen. Und das meint glauben.

Wer sich angewöhnt, so als Christ zu leben, der wird befreit aus einer moralischen Trimm-dich-Spirale: Du musst, du musst noch mehr, du musst dir größere Mühe geben ... Nein, Christus gibt sich Mühe. Und ich darf Ihn durch mich hindurch wirken lassen.

Ich möchte es noch einmal mit einem anderen Bild sagen: Stell Dir einmal vor, Du sitzt in einem dunklen Raum, stockfinster. Nichts ist zu sehen. Wie bekommt man dann die Dunkelheit aus dem Raum heraus? Nicht dadurch, dass Du Dir jetzt einen Besen nimmst und die Dunkelheit aus dem Raum herausfegen willst. Es nützt auch nichts, ein Staubtuch zu nehmen und Staub zu wischen. Damit bekommst Du die Dunkelheit nicht aus dem Raum. Nein, Du kannst dir noch so viel Mühe geben, Du wirst die Dunkelheit so nicht vertreiben können. Das einzige was dann hilft: Du musst ein Licht anzünden. Und wenn es ein noch so kleines Licht ist, das Du in einem dunklen Raum anzündest, dann hat die Dunkelheit keine Chance mehr.

Und vielleicht können wir uns jetzt vorstellen, warum Jesus ganz ausdrücklich gesagt hat: „Ich bin das Licht der Welt.“ Lass ihn in deinem Herzen leuchten, und die Dunkelheit des Unglaubens, die Dunkelheit die mit dem Maßstab dieser Welt verbunden ist, die hat keine Chance mehr.

 

An diesem Sonntag ist in vielen Pfarrgemeinden Erstkommunion. Ich kann mich erinnern, in meiner Kaplanszeit hatte der Pfarrer einmal die Erstkommunionvorbereitung bei den Kindern gehabt. Und ich war dabei als die Kommunionkinder geübt haben. Da hat der Pfarrer plötzlich die Kommunionkinder gefragt: „Was machst du eigentlich, wenn der Teufel an deine Herzenstür anklopft und Einlass begehrt? Was machst du dann? Und ich werde es nie vergessen, dann sagte eins von den Kommunionkindern als Antwort: „Dann geh ich gar nicht an die Tür, dann lass ich Jesus an die Türe.“ Dieses Kind hatte es im Tiefsten verstanden: „Dann lass ich Jesus an die Tür.“

Bei allem was uns schwer fällt, dürfen wir sagen: „Jetzt lass ich Jesus dran.“ Und Du wirst merken: Es geht. Amen.

 

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Predigttext:      Joh 20,19-31 (Thomas)

 

Predigt im MP3 Format

 

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Mit dem Thomas in unserem Evangelium heute ist das eine ganz merkwürdige Geschichte.

Ich kann mich erinnern: früher als ich noch Kind war, hatte er die Bezeichnung der „ungläubige Thomas“. Da wurde er uns gleichsam als warnendes Beispiel hingestellt. Einer, der nicht glauben wollte, als die anderen ihm sagten: Jesus ist auferstanden!, der ihn erst einmal anpacken wollte. Die Quintessenz der Predigten in meiner Kinderzeit war: Macht es bloß nicht so wie der Thomas. Und dann wurde noch hingewiesen auf das Wort Jesu am Ende des Evangeliums: „Selig, die nicht sehen, und doch glauben.“

Während meiner Studienzeit, am Ende der sechziger und am Anfang der siebziger Jahre, war es mit diesem Thomas plötzlich umgekehrt. Da war Thomas der Skeptiker, der fragende, bohrende Mensch, der nicht alles einfach kritiklos hinnahm, der jeder Sache auf den Grund gehen wollte. Und dann wurde uns dieser Thomas gleichsam als Vorbild hingestellt. Es war zu der Zeit einfach ‚in’, alles zu hinterfragen und in Frage zu stellen.

Aber was ist der Thomas denn jetzt wirklich? Oder passt er vielleicht gar nicht in dieses Schema: Auf der einen Seite der Ungläubige, und auf der anderen Seite der Skeptiker, der kritische Geist?

 

Wenn man den Thomas verstehen will, muss man zunächst einmal verstehen, was der Karfreitag für die Apostel bedeutet hat. Der Thomas war ja nicht irgendwer; das war einer von den Zwölfen, die alles auf eine Karte gesetzt haben. Sie hatten den Beruf an den Nagel gehängt, haben Haus und Hof verlassen und sind Jesus nachgefolgt. Und wenn man dann als einer, der alles aufgegeben hat, miterleben muss, dass dieser Jesus von der geistlichen Elite, vom Hohen Rat, als Gotteslästerer verurteilt wird, und wenn man miterleben muss, dass dieser Jesus wie ein Verbrecher ans Kreuz gehängt wird und mit einem Schrei der Gottverlassenheit stirbt „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, dann bricht auf einmal eine Welt zusammen.

Wenn du nur „christlicher Schlachtenbummler“ bist, nur so ein Mitläufer, dann berührt einen das nicht weiter. Aber wenn du alles auf eine Karte gesetzt hast, dann geht das an die Nieren. Und genau das ist mit den Aposteln geschehen.

Wenn wir etwas davon ahnen wollen, was der Karfreitag für die Jünger bedeutet, dann brauchen wir uns nur die Emmausjünger anzuschauen. Wie die liefen, weg von Jerusalem, nur nichts mehr hören und sehen, schnell nach Hause und die Decke über den Kopf ziehen. In solcher Situation ist der Thomas.

Und dann stell dir einmal vor: Am Ostertag abends kommt dieser Thomas mit seinem enttäuschten Herzen, mit seiner total zerbrochenen Hoffnung in die Nähe des Hauses, wo die anderen Apostel sitzen. Er hört schon, als er einige Meter von der Türe ist, wie die drinnen singen und jubeln: „Halleluja, Jesus lebt!“ Er macht die Türe auf und sieht, wie sie da singen und tanzen, wie sie Mahl miteinander feiern. Und er versteht das einfach nicht. Er ist ja Jesus nicht begegnet.

Und dann sagen ihm die anderen: Jesus ist hier gewesen. Er hat es uns gesagt, dass er lebt. Er ist uns begegnet. Aber Thomas kann das einfach nicht glauben. Die können mir ja viel erzählen. Aber wenn ich ihn nicht anpacken kann, wenn ich es nicht handgreiflich habe, dann können die mir viel erzählen. Das kann ich nicht glauben. Das ist die Situation des Thomas.

 

Schwestern und Brüder, ich vermute, die meisten von uns werden irgendwann im Leben einmal in so eine Glaubenskrise kommen. Es sind nicht die Schwächlinge, sondern gerade die, die es mit Gott ernst meinen, die alles auf Jesus gesetzt haben. Dann wird einem auf einmal alles so fraglich: Ob es wirklich stimmt, dass es einen lebendigen Gott gibt. Warum gibt es dann so viel Not in meinem Leben, in der Welt ,warum gibt dann so viel Krieg? Warum wird dann ein geliebter Mensch von meiner Seite weggerissen? Auf einmal wird einem alles so hohl und leer und so fraglich. Und es ist kein Zeichen von Schwäche wenn man in so eine Glaubenskrise kommt.

Aber wenn wir in einer solchen Krise sind, dann können wir von Thomas ein paar entscheidende Dinge lernen, um wieder aus dieser Krise heraus zu kommen.

 

Ein Erstes:

Als bei Thomas alles zusammengebrochen war, da hat er einen entscheidenden Fehler gemacht, und den machen Viele heute auch: Er hat sich abgesetzt von der Gemeinschaft der anderen. Und als dann Jesus kam, da war er einfach nicht da. Und das habe ich so oft erlebt: Wenn Menschen in eine Glaubenskrise kommen, dann ist meistens der erste Schritt, dass man sich aus der Gemeinde absetzt. Vorher ist man aktiv gewesen, hat überall mitgemacht. Und plötzlich kommt dann so eine Haltung auf: damit muss ich erst einmal alleine fertig werden. Aber glaub mir, in dieser Situation brauchst du die Gemeinschaft der Brüder und Schwestern am allerdringendsten. Dann sagen Menschen in so einer Krise: „Ich kann ja doch nichts bringen. Ich falle den anderen mit meinen Zweifeln doch nur zur Last.“ Aber es geht ja nicht darum, ob ich was bringen kann. Entscheidend ist, dass wir uns gegenseitig tragen, dass die anderen mich in so einer Situation mittragen, das ist das Entscheidende.

Und ich sage in diesem Zusammenhang auch einmal: Es ist in unserer Kirche keine gute Entwicklung, wenn sich Menschen, vor allem junge Leute, so schnell vom Sonntagsgottesdienst absetzen. Dann sagen sie: „Das bringt mir ja nichts, das ist langweilig, immer dasselbe.“ Ja gut, mag sein, dass dir der Gottesdienst nichts bringt, dass er langweilig ist. Aber möglicherweise verpasst du die Chance, dass Jesus dir begegnet. Thomas war nicht dabei, als Jesus kam. Und das bedeutete für ihn eine zusätzliche Woche Trauer, Hoffnungslosigkeit.

 

Ein Zweites.

Wenn jemand in eine Glaubenskrise kommt, und einem alles so fraglich ist, dann halt an Jesus fest. Und wenn scheinbar alles dagegen zu sprechen scheint, halt an Jesus fest, denn er hält an dir auch fest, und er lässt dich nicht hängen.

Als Thomas wieder mit den anderen Aposteln zusammen ist, und als dann Jesus kommt, da hat er dem Thomas keine Vorwürfe gemacht: „Wo bist du denn letzte Woche gewesen? Warum warst du denn nicht da?“ Er hat ihm auch nicht gesagt: „Warum hast du denn den anderen nicht geglaubt? Die haben es dir doch erzählt.“ Nein, er nimmt den Thomas mit seinen Fragen, mit seinen Zweifeln, mit seiner Not ganz ernst. Er geht auf den Thomas zu und sagt ihm: „Thomas, du wolltest mich doch anpacken. Bitte! Hier sind meine Hände, hier ist meine Seite. Du kannst deinen Finger in meine Wunde legen. Ich bin es wirklich.“

Glaub mir, Jesus verurteilt einen Menschen nicht, wenn der Glaube fraglich wird, wenn man Schwierigkeiten im Glauben bekommt. Jesus nimmt dich ganz ernst. Darum, auch wenn alles in dir rebelliert, halt an Jesus fest.

 

Und schließlich ein Drittes, was wir von Thomas lernen können.

Wie ist denn Thomas dann zu einem freudigen Glauben gekommen? Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind früher Predigten gehört habe, wo dann der Prediger ungefähr so gesagt hat: „Und dann hat Thomas Jesus angefasst, ist auf die Knie gefallen und hat gesagt: Mein Herr und mein Gott!“ Aber das stimmt überhaupt nicht. Thomas hat Jesus überhaupt nicht angepackt. Jesus hat es ihm zwar angeboten, aber er packt gar nicht zu. Er geht so auf die Knie und sagt: Mein Herr und mein Gott.!

Was ist denn da eigentlich passiert? Das ist nicht leicht zu erklären. Woher wusste Jesus eigentlich, dass Thomas ihn anpacken wollte? Das hatte er ja nur den anderen Jüngern erzählt, aber nicht Jesus. Und nun Jesus sagt ihm auf den Kopf zu, als er herein kommt: „Du wolltest mich doch berühren. Bitte!“ Das ist die Weise, wie Jesus einem Menschen auch heute noch begegnet: Dass man sich plötzlich von Gott bis ins tiefste Herz durchschaut fühlt, und gleichzeitig nicht weggestoßen, sondern angenommen. Ich habe das selber sehr oft erlebt in der Weise, dass Gott mich durch ein Wort der Heiligen Schrift bis ins Tiefste getroffen hat, wenn ich es gelesen habe oder wenn ich eine Predigt gehört habe. Dass er das Innerste meines Herzens dadurch aufgedeckt hat. Und ich fühlte mich bis ins tiefste Herz durchschaut, aber gleichzeitig angenommen. Ich wusste in solchen Augenblicken genau: Jetzt meint er mich. Wer das erlebt, der erfährt Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus.

 

Warum ist Jesus das eigentlich so wichtig, dass Thomas zu einem lebendigen Glauben kommt? Sehen sie, es gibt heute zu viele Christen, die leben nur aus zweiter Hand. Sie glauben weil der Pfarrer das gesagt hat, weil sie es irgendwo gelesen haben, weil sie es als Kinder vielleicht auf der Schule gelernt haben. Und es gibt so wenig Menschen, die im Glauben aus erster Hand leben, und die aus eigener Erfahrung sagen können: Ja er lebt; ich bin ihm begegnet!

Und das ist Jesus so wichtig, dass unser Glaube auf einem festen soliden Fundament lebt, dass wir ihm, dem Lebendigen begegnen. Der Wind in unserer Welt heute bläst den Glaubenden ganz kräftig ins Gesicht. Und wer nicht mit seinem Glauben ‚aus den Latschen kippen will’, der muss sehen, dass er eigene Erfahrungen im Glauben macht, und nicht immer nur aus zweiter Hand lebt.

 

Zum Schluss noch einen Satz zu dem Wort Jesu: „Selig, die nicht sehen und doch glauben.“ Also darf man doch nicht sehen wollen.

Ich weiß nicht, ob das so stimmt. Zum einem muss man sagen: das ist ja nicht etwas, was Jesus gefordert hat. Jesus hat ja nicht zu Thomas gesagt: „Thomas, du musst jetzt glauben ohne zu sehen!“ Nein, Jesus kleidet das ja in eine Seligpreisung.

Vielleicht darf man dieses Wort Jesu umschreibend übersetzen: „Selig, deren Glaube so stark ist, dass er auf das Sehen nicht mehr angewiesen ist.“   Das ist das Ziel. Amen.

 

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