Pfarrer Karl Sendker

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3. Sonntag A
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Predigt zum 2. Lesung:  1 Kor 1,10-13.17

Predigt zum Evangelium:  Mt 4,12-17

Predigttext:      1 Kor 1,10-13.17

 

Dies ist die 2. Predigt einer siebenteiligen Predigtreihe mit dem Thema:

"Ein Hirtenbrief, der unter die Haut geht"

 

Predigt im MP3 Format

 

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Ein Hirtenbrief, der unter die Haut geht. Das ist der Titel, unter dem wir an den kommenden Sonntagen den ersten Brief lesen wollen, den der Apostel Paulus den Christen in der griechischen Hafenstadt Korinth geschrieben hat. Aber wir haben am letzten Sonntag schon gesehen: Dieser Brief ist auch geschrieben an alle, die den Namen Jesu anrufen an jeglichem Ort. Damit ist dieser Brief wohl auch an uns gerichtet.

Am Anfang hatte Paulus die Christen zunächst einmal hingewiesen auf ihre Würde, die sie als Christen haben: Ihr seid wer!

 

Aber unmittelbar danach kommt er auf einen Missstand in der Gemeinde zu sprechen, der damals und auch heute verheerende Wirkungen hat. Er schreibt: Es ist mir berichtet worden, dass es Zank und Streit unter euch gibt, dass es Spaltungen gibt. Der eine sagt: Ich halte zu Paulus. Der andere sagt: Ich halte zu Apollos. Ein dritter sagt: Ich halte zu Petrus. Und da waren einige ganz clevere dabei, die haben gesagt: Wir brauchen überhaupt keine menschlichen Vermittler; wir halten uns an Christus selbst. Diese Tendenz gibt es ja heute auch: Christus ja, aber Kirche, nein; wir brauchen gar keine menschlichen Verkündiger.

Und Paulus sagt dazu: Was ihr da unter euch duldet, ist Spaltung. Und glauben Sie mir eins: Das große ‚Krebsgeschwür’ an der Kirche, damals wie heute, der große Schaden an der Kirche und an den einzelnen Gemeinden ist die Tatsache, dass es bis auf den heutigen Tag auch bei uns Zank und Streit und sogar Spaltung in den Gemeinden gibt.

 

Ich will Ihnen einige Beispiele dafür sagen, wie das heute aussieht:

Es gibt wohl in jeder Gemeinde einzelne Persönlichkeiten, die das Sagen haben, oder auch Cliquen innerhalb der Gemeinde, die untereinander einen ständigen Kleinkrieg führen; wo der eine mit dem anderen nicht kann; wo der eine dem anderen aber auch nicht gönnt, dass dem mal irgendetwas gelingt. Und das ganze oft noch unter einer Decke von vorgetäuschter Liebenswürdigkeit.

Wissen Sie, wann solche Cliquen ans Licht kommen? Das hab ich sehr drastisch erlebt: Da kommst du als Pfarrer neu in eine Gemeinde. Und in dem Augenblick kommen alle diese Cliquen und Einzelpersonen ans Licht. Und jeder versucht den ‚Neuen’ auf seine Seite zu ziehen und gegen die anderen auszuspielen. Manchmal ist das schon richtig peinlich.

 

Oder ein anderes Beispiel: Da wird z.B. ein neuer Pfarrgemeinderat gewählt oder eine neuer Kirchenvorstand oder der Vorstand irgendeines kirchlichen Vereins. Und dann geht es darum, Kandidaten zu suchen. Mir ist es mehr als einmal passiert, dass ich dann gefragt wurde: Wer kandidiert denn noch alles? „Ach nein, wenn der oder wenn die kandidiert, dann ziehe ich meine Kandidatur zurück. Mit dem oder der kann ich nicht und will ich nicht zusammenarbeiten.“ Da spürt man etwas von den Rivalitäten, die versteckt unter der Decke da sind. Aber diese versteckten Rivalitäten in einer Gemeinde haben verheerende Wirkungen; die zerstören die geistliche Kraft einer Gemeinde. Wenn unsere Pfarrgemeinden in Deutschland so saft- und kraftlos sind, vielleicht liegt es nicht zuletzt an diesem Punkt.

 

Ein zweiter Punkt, wo solche Spaltungen auch bei uns ganz deutlich werden, ist die Tatsache, dass hinter dem Rücken über Gemeinde-mitglieder getratscht wird. Das ist ja so verbreitet. Gut, da hat vielleicht jemand ‚Mist gebaut’, kann ja sein. Aber statt jetzt hinzugehen und dem Betreffenden die Kritik jetzt ehrlich ins Gesicht zu sagen, redet man lieber von hinter herum. Dann kann man sich immer so schön bedeckt halten: Ich hab ja nichts gesagt. Derjenige, der es als Letzter erfährt, ist oft der Betroffene selber, weil immer nur so hinten herum geredet und die Atmosphäre vergiftet wird. Und so etwas ist für eine Gemeinde tödlich.

Damit wir uns nicht missverstehen: Es geht nicht darum, dass man keine Kritik äußern dürfte. Paulus hat dem Petrus mit aller Deutlichkeit seine Kritik öffentlich, vor allen anderen, ins Gesicht gesagt. Aber weil nicht hinten herum geredet wurde, sondern weil es direkt und in Liebe gesagt wurde, hat Petrus diese Kritik auch annehmen können. Wo immer nur so von hinten herum kritisiert wird, da ist der Spaltpilz in einer Gemeinde am wachsen.

 

Noch eine dritte Form, wie sich solche Spaltungen und Zwistigkeiten in einer Gemeinde äußern. Die ist vor allem beliebt bei jungen Leute und bei Leuten im mittleren Alter: Da fängt man an, auf die Kirche zu schimpfen, da schlägt man auf die Kirche ein, wie man auf eine alte verstaubte Matratze losschlägt. Natürlich, da kommt dann immer Staub raus.

Merken Sie, wo da der Spaltpilz sitzt?: Da heißt es nicht mehr ‚Wir’, sondern ‚die’ Kirche. Und der Betreffende merkt überhaupt nicht, dass er sich mit so einer Formulierung schon außerhalb der Kirche gestellt hat. Da geht es nicht mehr um ‚Wir’, wo ich dann dazugehöre, sondern ‚die’ Kirche, und ich gehöre gar nicht mehr dazu. Im Grunde ist so etwas der erste Schritt zu einer ‚Selbst-Exkommunikation’, die der Betreffende selber vollzieht.

 

Vor einigen Jahren, als ich darüber einmal gesprochen habe, hat mir jemand in der Diskussion gesagt: „Das dürfen Sie nicht so eng sehen. Das ist in jedem Verein so, dass es solche Zwistigkeiten gibt. Damit muss man leben.“ Aber darin liegt doch gerade das Problem: Wenn wir uns als Christen nicht mehr von irgend einem Verein unterscheiden, dann sind wir nicht mehr die Kirche Jesu Christi. Das ist der Grund, warum Paulus, bevor er auf diese Missstände zu sprechen kommt, den Leute geradezu einhämmert: Ihr seid nicht irgend ein Kaninchen-Zuchtverein, sondern ihr seid die berufenen Heiligen; ihr seid die Repräsentanten Gottes in dieser Welt. Gott hat ein Interesse daran, dass es bei Euch nicht zugeht wie bei irgend einem beliebigen Verein. Genau da liegt das Problem! Wenn wir nur irgend eine Clique, irgend ein Verein wären, gut, dann könnte man sagen. Damit muss man leben. Aber hier geht es um die entscheidende Tatsache: Wir sind der Leib Christi. Und wenn bei uns Spaltung gelebt wird, wenn diese Einheit verhindert wird, dann ist Christus gleichsam geteilt. Das ist im Grunde eine Schizophrenie. Da geben wir dann vor den Welt wirklich nur noch das Zeugnis: Der ‚Laden’ Kirche, und nicht mehr das Zeugnis, dass wir der Leib Christi sind, die Kirche Gottes in dieser Welt.

Dieses Thema ist Jesus selbst so wichtig gewesen, dass er in der Bergpredigt mit großem Nachdruck sagt: „Wenn du zum Gottesdienst kommst und deine Gabe zum Altar bringst, und wenn du dich dann vor dem Altar erinnerst, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, dann geh aus der Kirche raus, geh erst hin und versöhne dich mit deinem Bruder. Und dann kannst du wiederkommen und deine Gabe bringen.“ Möglicherweise wirst Du dann am Sonntag den letzten Gottesdienst verpassen und kannst Deine ‚Sonntagspflicht’ nicht mehr erfüllen. Aber es ist wichtiger, Du hast Dich mit deinem Bruder ausgesöhnt, als dass Du eine Sonntagspflicht ‚abhakst’.

 

Vor Jahren hab ich im Urlaub in einer Gemeinde einmal in der heiligen Messe gesagt: Wir wollen uns jetzt gegenseitig den Friedensgruß geben. Da sind hinterher die Leute aus der Gemeinde gekommen: „Herr Pfarrer, tun Sie das lieber nicht. Da sitzen so viele Leute in der Kirche, denen kann ich nicht die Hand geben und ihnen den Frieden wünschen. Das kann man nicht mit jedem tun.“

Stellen Sie sich einmal vor: Wir wollen in der heiligen Messe die ‚Kommunion’ empfangen – communio heißt auf deutsch ‚Gemeinschaft’ – und dann sollen wir hinnehmen, dass da jemand sitzt, dem ich nicht ehrlichen Herzens den Frieden wünschen kann. Dann ist doch unser Gottesdienst im tiefsten fast eine Lüge, wenn das nicht mehr möglich ist. Da spürt man: Bei diesem Thema geht es an die Substanz.

 

Wissen Sie, warum Jesus (und auch Paulus) das so wichtig gewesen ist mit der Einheit und der Einmütigkeit? Daran hängen einige ganz wichtige Dinge:

Zum einen sagt Jesus: Wenn zwei oder drei einmütig um etwas bitten, man müsste sogar wörtlich übersetzen „Wo sie eins werden in dem, was sie erbitten wollen“, da wird es ihnen vom Vater im Himmel zuteil werden. Ich habe oft die Wahrheit dieses Wortes erlebt. Wo wir eins geworden sind in unserem Gebet, da haben wir oft auf wunderbare Weise erlebt, wie Gott das Gebet erhört hat, in einer Weise, wie wir es nicht für möglich gehalten haben. Dass wir gestaunt haben: Wie kann das nur?  - Weil wir eins waren! Und Gott steht zu seinem Wort.

Ein zweites, warum diese Einheit so wichtig ist: Kurz vor seinem Tod hat Jesus im Abendmahlssaal noch ein langes Gebet gesprochen (Joh 17). Und ein Schwerpunkt dieses ‚Hohepriesterlichen Gebetes’ war die Bitte: „Vater, ich bitte dich, dass die, die du mir gegeben hast, eins sind, damit die Welt glauben kann.“ Wenn wir möchten, dass die Welt, die noch nicht zu Christus gehört, zum Glauben kommt, dann müssen wir der Welt das Zeugnis der Einheit vorleben.

Wie kam das eigentlich, dass damals die ersten Christen in einer einzigen Generation den ganzen Mittelmeerraum für Christus gewonnen haben? Es lag daran, dass man von ihnen sagen konnte: Die Menge der Gläubiggewordenen war ein Herz und eine Seele. Und diese Einmütigkeit der Christen hörte nicht an dem Punkt auf, wo bei uns die Freundschaft aufhört: bei der Geldbörse. Von den Christen wird ausdrücklich gesagt: Es gab keinen Notleidenden unter ihnen. Jeder, der Besitztum hatte, brachte es den Aposteln, und jedem wurde zugeteilt, wie er es nötig hatte. Dieses Zeugnis der gelebten Einheit hat die Menschen damals überzeugt; und das wird auch die Menschen heute überzeugen.

 

Was nützt es, in den Missionsländern Mission zu treiben, wenn die Menschen uns dort vorhalten können: Ihr seid euch ja selbst noch nicht einmal einig. Es nützt nichts, wenn wir dafür beten, dass der Glaube wieder lebendig wird, wenn wir unter uns Zwietracht und Spaltungen zulassen. Wir brauchen dieses gelebte Zeugnis der Einheit, damit die Welt glauben kann.

 

Und schließlich ein letzter Punkt, warum diese Einheit so wichtig ist: Wo in einer Gemeinde Einheit gelebt wird, wird etwas sichtbar von dem Geheimnis der Dreieinigkeit Gottes. Ein Gott und drei Personen. Und hier wird auch sichtbar, dass Einheit nicht Einheitlichkeit bedeutet. Es werden nicht einfach alle gleichgeschaltet. In der göttlichen Dreifaltigkeit ist der Vater unverwechselbar der Vater, der Sohn unverwechselbar der Sohn und genau so der Heilige Geist. Und doch sind es nicht drei Götter. Es ist ein Gott. Erklären kann ich das auch nicht.

Aber genau so ist es auch unter den Christen. Jeder Einzelne bleibt unverwechselbar die Persönlichkeit, wie Gott ihn geschaffen hat, mit seinem Charakter, mit seinen Stärken, mit seinen Schwächen, mit seinen Fähigkeiten und Veranlagungen. Und doch möchte Gott uns schenken, dass wir eins sind untereinander.

Irgendwie wird etwas Göttliches sichtbar, wird Gott erfahrbar in dieser Welt, mit den Sinnen erlebbar, wo Menschen die Einheit leben.

 

Wenn ich an diese Einheit denke, kommt mir ganz oft das Bild von einem Speichenrad, wo in der Mitte die Nabe ist, und auf diese Nabe laufen die ganzen Speichen zu. Je näher die Speichen zur Nabe, zur Mitte kommen, um so näher kommen sich die Speichen auch untereinander. Unsere Mitte ist Jesus Christus. Wenn wir als einzelne Christen, als Gemeinde, als Konfession nicht mehr bedacht sind, unser eigenes Süppchen zu kochen, wenn wir nicht mehr unsere Anschauung in den Mittelpunkt stellen wollen, sondern Jesus Christus. Wenn wir alle, von dem Punkt aus, wo der Einzelne steht, auf Jesus Christus zugehen, dann kommen wir auch untereinander näher.

Ich will diese Predigt abschließen mit dem ersten Teil einer Liedstrophe (Gotteslob Nr. 639,3):

„Die Kirche ist erbauet auf Jesus Christ allein. Wenn sie auf ihn nur schauet, wird sie in Frieden sein.“   Amen.

 

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Predigttext:      Mt 4,12-17

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

„Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe!“

Das ist gleichsam das Programm Jesu für seine öffentliche Wirksamkeit. „Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe!“ Immer wieder dreht es sich im ganzen Wirken Jesu um diesen einen Punkt: um die Nähe des Himmelreiches.

Wie oft, wenn Jesus ein Gleichnis erzählt, beginnt das Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es, wie mit einem Senfkorn …, wie mit einem Schatz im Acker …, usw. Immer geht es um das Himmelreich. Und als Jesus die Jünger zu zweit aussendet, da bekommen sie von ihm den Auftrag: Verkündet: „Das Himmelreich ist nahe!“ Immer dreht sich alles um das Himmelreich.

 

Merkwürdig ist: Ich kann mich nicht erinnern, in meinem Leben jemals eine Predigt über das Himmelreich gehört zu haben. Und dabei ist das eine so zentrale Angelegenheit in der Verkündigung Jesu.

 

Was ist das eigentlich mit dem Himmelreich? Was stellen Sie sich darunter vor? Vielleicht denkt mancher: Das sind die Zustände, die im Himmel herrschen. Aber das stimmt so einfach nicht. Der Sohn Gottes hatte doch gerade die Herrlichkeit des Himmels verlassen und war in diese Welt gekommen. Und hier in dieser Welt ruft er: „Das Himmelreich ist nahe!“ Da muss es doch um etwas anderes gehen.

 

Wir kommen der Sache etwas näher, wenn wir den griechischen Ausdruck für Himmelreich anschauen. Der griechische Ausdruck heißt ganz wörtlich übersetzt nicht „Himmelreich“, sondern „Königsherrschaft Gottes“. Und wenn Jesus hier sagt: Das Himmelreich ist nahe!, dann kann man das auch übersetzen: „Die Königsherrschaft Gottes ist angebrochen!“. Und „Königsherrschaft Gottes“ bedeutet: Welche Zustände herrschen, wenn Gott das Sagen hat. Wenn Gott wirklich König ist, wie sieht dann die Welt aus?

 

Wenn ein Jude damals den Ausdruck „Himmelreich“ hörte oder „Königsherrschaft Gottes“, dann konnte er sich sofort darunter etwas vorstellen. „Königsherrschaft Gottes“, das war für Israel die Zeit gewesen, als Gott das Volk Israel aus Ägypten herausgeführt und vierzig Jahre durch die Wüste geführt hat. Da hatte Gott das Sagen. Da hatte Gott in seinem Volk bedingungslos die Führung.

 

Als Gott die Führung hatte, dann hatte das zwei Aspekte:

Erstens: Gott hatte die Herrschaft in der Weise, dass das Volk Israel bedingungslos der Führung Gottes gehorsam war. Das wird bei der Wüstenwanderung so ausgedrückt: Gott ging dem Volk voran bei Tag in einer Wolkensäule, nachts in einer Feuersäule. Gott ging voran. Und dann heißt es immer wieder im Alten Testament: Wenn die Wolkensäule stehen blieb, dann hat Israel das Lager aufgeschlagen, dann sind sie nicht weiter gezogen. Wenn die Wolkensäule weiterzog, dann hat Israel das Lager abgebrochen und ist weitergezogen. Wenn die Wolkensäule nur eine Nacht stehen blieb, dann hat Israel am anderen Morgen das Lager zusammengepackt und ist weitergezogen. Blieb die Wolkensäule einen Monat lang am gleichen Ort, dann haben sie einen Monat gelagert. Bedingungsloser Gehorsams der Führung Gottes gegenüber. Das war das eine.

 

Aber die Königsherrschaft Gottes hat noch einen zweiten Aspekt:

In dem Augenblick, wo Gott das Sagen hat und wo Israel bedingungslos gehorsam ist, da werden Zeichen und Wunder das Normale und nicht mehr das Außergewöhnliche.

Wenn das Volk Israel in der Wüste kein Wasser mehr hatte, war das für Gott kein Problem. Er sagt zu Mose: Nimm deinen Stab und schlag an den Felsen. Und es kam Wasser heraus. Wenn das Volk nichts mehr zu essen hatte, hat Gott gesagt: Schaut morgen früh einmal in der Wüste nach. Und sie haben Manna gefunden. Als ihnen das Manna nicht mehr schmeckte, und wenn sie dann nach Fleisch geschrien haben, dann hat Gott gesagt: Kein Problem! Er hat einen Westwind kommen lassen, und der Westwind trieb Wachtelschwärme vom Meer in die Wüste hinein. Die ließen sich auf dem Boden nieder, und das Volk Israel konnte sie einfach einsammeln.

Zeichen und Wunder werden das Normale, wenn das Volk der Führung Gottes gehorsam ist.

Diese beiden Aspekte gehören zur Königsherrschaft Gottes.

 

Aber dann ist im Volk Israel unter dem Propheten Samuel ein tiefer Bruch geschehen. Das Volk war inzwischen im gelobten Land angekommen. Auf einmal kommen die Leute zu Samuel und sagen ihm: Wir möchten auch einen irdischen König haben wie die anderen Völker. Gott kann man ja nicht sehen. Wir möchten einen sichtbaren König haben, der unser Heer anführt. Wir möchten so werden wie die anderen Völker auch.

Sie haben einen irdischen König bekommen. Der erste war Saul, der zweite war David, der dritte war Salomo usw.

Aber, und jetzt kommt der Bruch, Israel wollte sein wie die anderen Völker. Und sie sind auch in einer anderen Weise geworden wie die anderen Völker. Sie haben nämlich von dem Zeitpunkt an angefangen, Götzendienst zu treiben, sich von Gott abzuwenden. Auf einmal stand nicht mehr das im Mittelpunkt, was Gott will, wohin Gott sie führen wollte, sondern jetzt sind sie nach eigenem Gutdünken losgezogen. Als damals der Pharao am Roten Meer hinter ihnen her war, haben sie zu Gott geschrien, und Gott hat sie befreit. Wenn sie jetzt in Not waren, haben sie Bündnispolitik getrieben mit den Nachbarvölkern. Aber diese Bündnispolitik hat zur Folge gehabt, dass sie auch die ausländischen Götzen mit übernehmen mussten.

Und dann ist das Furchtbare passiert: Zuerst die Assyrer und dann die Babylonier haben das ganze Volk Israel, das doch die Herrlichkeit Gottes erlebt hatte, gleichsam ausradiert. Sie sind weggeschleppt worden, zunächst das Nordreich in die assyrische Gefangenschaft, und später das Südreich in die babylonische Gefangenschaft. Und die Herrlichkeit Gottes hatten sie verloren.

Die Sehnsucht nach der Herrlichkeit Gottes ist in Israel lebendig immer geblieben, das bezeugen uns die Propheten. Aber Israel war nicht gehorsam, war abgefallen von Gott. Und so konnten sie auch nichts mehr spüren von der helfenden Gegenwart Gottes.

 

Jetzt machen wir einen großen Sprung. Vielleicht können Sie sich jetzt vorstellen, was das für ein Ereignis war, als eines Tages am See Genezareth ein Mann auftritt und den Leuten zu ruft: „Die Königsherrschaft Gottes ist nahe. Die Königsherrschaft Gottes ist angebrochen!“ Das, wonach sie sich immer gesehnt hatten, worum sie gebetet hatten. Da kommt auf einmal dieser Jesus von Nazareth und sagt: „Die Königsherrschaft Gottes ist in meiner Person angebrochen.“

 

Und jetzt schauen wir einmal, wie das im Leben Jesu praktisch ausgesehen hat. Es war genau wie bei der Wüstenwanderung.

Auf der einen Seite ist Jesus dem Vater bis ins Kleinste hinein gehorsam. Er sagt immer wieder zum Beispiel: Ich kann nichts von mir aus tun, sondern was ich den Vater tun sehe, das tue ich. Und ich rede auch nichts von mir aus, sondern was ich den Vater reden höre, das rede ich.“ Oder denken Sie an die Szene am Ölberg: Lass den Kelch an mir vorüber gehen. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.

Das ist das eine: Der bedingungslose Gehorsam Jesu.

 

Aber auch der andere Aspekt der Königsherrschaft Gottes wird im Leben Jesu sichtbar. Zeichen und Wunder werden im Leben Jesu wieder das Normale. Was die Propheten angekündigt hatten, wurde auf einmal Wirklichkeit: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein. Das ganze Leben Jesu ist davon durchzogen, dass die Kraft Gottes, dass die Herrlichkeit Gottes hier in dieser Welt wieder sichtbar wurde.

 

Aber es geht noch weiter. Jesus sagt: „Diese Herrlichkeit Gottes, die Königsherrschaft Gottes ist nicht nur für mich, sondern sie ist für euch. Er sagt den Jüngern eines Tages: „Wer an mich glaubt, der wird nicht nur die Werke tun, die ich tue, sondern er wird noch viel größere Werke als ich tun.“

Und schauen Sie sich das Leben der Apostel an: Wiederum, auf der einen Seite der Gehorsam gegenüber der Führung Gottes. Auf der anderen Seite tun sie die gleichen Werke wie Jesus.

Schauen Sie sich im Verlauf der Kirchengeschichte die Menschen an, die wir die Heiligen nennen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Was ist denn mit einem Don Bosco, was ist mit einem Pfarrer von Ars? Wenn der für seine Waisenhauskinder nichts mehr zu essen hatte, dann hat er in der Kirche gebetet und hat anschließend den Schwestern gesagt: Schaut noch einmal oben auf dem Speicher des Hauses nach. Und der ganze Dachboden des Hauses war voll von Getreide.

Zeichen und Wunder sind das Normale.

 

Dann ist Christenleben nicht mehr langweilig, dann ist Christenleben spannend vom ersten bis zum letzten Augenblick. Es ist nicht immer einfach. Gehorsam sein, ist nie einfach. Aber es wird spannend.

 

Um die Herrlichkeit Gottes sehen zu können, erleben zu können, müssen wir die erste Seite des Rufes Jesu wieder ernst nehmen: „Kehrt um!“ Denn das Himmelreich ist nahe. Dazu braucht es Umkehr. Aber Umkehr bedeutet nicht, dass wir jetzt beichten gehen und sagen: Ich habe gelogen, ich habe genascht usw.

Umkehr bedeutet etwas anderes. Es bedeutet: Nicht mehr Ich stehe im Mittelpunkt, sondern Gott steht im Mittelpunkt. Nicht mehr was ich will, ist entscheidend, sondern entscheidend ist: Vater, dein Wille geschehe.

Ich weiß wohl, das ist in unserer Zeit nicht unbedingt modern. Heute dreht sich alles um Selbstverwirklichung, und nicht darum, dass der Wille Gottes geschieht. Aber wo sich Menschen darauf wirklich einlassen, dass der Wille Gottes zum Zuge kommt, da wird die Herrlichkeit Gottes in Zeichen und Wundern sichtbar, auch heute.   Amen.

 

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