Pfarrer Karl Sendker

Predigten - Hilfen zur Bibelarbeit

Gottesdienste - geistliches Leben

 

4. Fastensonntag C
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Predigten

Predigtverzeichnis  nach Bibelstellen geordnet

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Predigt zur 2. Lesung:  2 Kor 5,17-21

Predigt zum Evangelium:   Lk 15,1-3.11-24

Predigttext:   2 Kor 5,17-21

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Zweimal, am Anfang der Bibel und am Ende der Bibel, ist von der Schöpfung Gottes die Rede. Direkt der ersten Satz der Bibel heißt: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Und diese Schöpfung bekommt von Gott ein Qualitätssiegel: „Es war sehr gut!“

Aber dieses Qualitätsmerkmal „sehr gut“ hat nicht lange Bestand gehabt. Kurze Zeit später zerbricht durch den Sündenfall das gute Verhältnis des Menschen zu Gott. Und als das Verhältnis zu Gott zerbrochen ist, da zerbricht auch das Verhältnis der Menschen untereinander. Da geschieht der erste Brudermord. Und so nimmt in dieser guten Schöpfung das Böse in der Welt seinen Lauf.

Am Ende der Bibel, in der Offenbarung des Johannes, ist noch einmal von Schöpfung die Rede. Da schreibt Johannes: „Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und Gott, der auf dem Thron sitzt, der Lebendige, sagt: Siehe, ich mache alles neu!“

Und auch diese neue Schöpfung bekommt ein Qualitätssiegel: Sie ist geprägt von Herrlichkeit, Pracht, Glanz. Es war sehr gut.

 

Und mitten zwischen diesen beiden Schöpfungspolen steht das Osterfest, die Auferweckung Jesu Christi. Als Jesus Christus von den Toten auferweckt wurde, da ging es ja nicht nur darum, dass ein Toter lebendig wurde. Das wäre nichts Besonderes gewesen; das hatte es vorher auch schon gegeben, etwa bei der Auferweckung des Lazarus. Der war auch wieder lebendig geworden. Aber Lazarus ist irgendwann auch wieder gestorben und dann ins Grab gelegt worden.

Bei Jesus war das etwas ganz anderes. Die Auferweckung Jesu war eine neue Schöpfung von Gott her. Es war gleichsam der erste Schöpfungsakt der Neuen Schöpfung, die sich am Ende einmal vollenden wird. Diese Neuschöpfung wird zum ersten Mal sichtbar am Ostertag, als Gott seinen Sohn Jesus auferweckt.

 

Wenn wir uns die Merkmale dieser Neuen Schöpfung vor Augen halten wollen, dann schau Dir einmal den auferstandenen Jesus an, wie er damals den Menschen, den Jüngern erschienen ist. Sein Auferstehungsleib hat zwei verschiedene Qualitäten: Auf der einen Seite war er ganz eindeutig zu identifizieren als Jesus von Nazaret, mit dem sie drei Jahre lang zusammen gewesen waren. Er hatte noch die Wundmale; man konnte ihn anfassen. Er hat vor den Augen der Jünger einen Fisch gegessen. Er war es wirklich, leibhaftig.

Aber gleichzeitig hatte der Auferstehungsleib Jesu Merkmale, die der irdische Jesus so nicht hatte. Er kommt bei verschlossenen Türen herein. Er wird nicht sofort auf Anhieb erkannt. Maria Magdalena hält ihn für einen Gärtner. Die Emmausjünger halten ihn für einen Wanderer, der mit ihnen geht. Er ist gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten, in Jerusalem und bei den Emmausjüngern. Dieser Auferstehungsleib hat andere Qualitäten, als der irdische Leib Jesu gehabt hat. Da ist Neuschöpfung passiert. Da war etwas total Neues geworden, was es so in dieser Welt vorher noch nicht gab.

 

Und jetzt kommt die Botschaft dieses 4. Fastensonntags:

Der Apostel Paulus schreibt heute in der Lesung aus dem zweiten Korintherbrief:, dass wir alle mit betroffen sind von dieser Neuen Schöpfung. Er schreibt: „Wenn einer in Christus ist, wenn einer mit Christus verbunden ist, dann ist er Neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen. Siehe, Neues ist geworden.“

Was Gott bei der Auferweckung Jesu begonnen hatte, das geschieht jetzt an uns, und zwar nicht erst später einmal, sondern hier, jetzt in unserer Zeit.

Der Apostel Paulus wusste, wovon er redete. Er hatte die Christen verfolgt mit einem glühenden Hass, der beispiellos war. Aber dann begegnet ihm Jesus vor Damaskus. Und dann wird aus dem Saulus ein Paulus, wie wir so schön sagen. Der gleiche Paulus, der vorher die Christen bis aufs Äußerste verfolgt und bekämpft hat, geht einen Augenblick später auf die Kanzel von Damaskus und fängt an zu predigen, für Jesus. Die Menschen in Damaskus wissen das gar nicht einzuordnen. Da war Neuschöpfung Wirklichkeit geworden. Das Alte war vergangenen. Etwas Neues war sichtbar geworden.

 

Oder schau Dir einmal in der Kirchengeschichte die ‚Spitze des Eisberges’ an. Wir nennen sie bei uns in der Kirche die Heiligen. Immer wieder wir dem Leben der Heiligen deutlich, dass Neuschöpfung passiert ist.

Schau dir eine Frau an wie die heilige Theresa von Avila. Ein gestandenes Frauenzimmer, wie sie selbst sagt. Die stand wirklich mit beiden Beinen auf dem Boden. Aber dann schreibt sie in ihrer Selbstbiographie: Wenn ich in der Kirche war mit den anderen Schwestern zusammen, dann konnte es passieren, dass ich plötzlich im Raum geschwebt bin, vor allen Leuten. Alle haben es gesehen. Und das war ihr so peinlich. Sie schreibt: Ich habe mich an der Bank festgeklammert, aber es ging nicht. Wenn die Kraft Gottes über dich kommen, dann kannst du dich nicht mehr festhalten, dann schwebst du im Raum. Das konnten alle miterleben.

Oder ich denke an einen Pfarrer von Ars, der zur Zeit Napoleons gelebt hat. Wenn der für seine Kinder im Waisenhaus nichts mehr zu essen hatte, dann hat er nicht eine Spendenaktion zusammengerufen. Nein, er ist in die Kirche gegangen und hat gebetet. Und anschließend sagte er zu den Schwestern, die das Waisenhaus geleitet haben: Schaut einmal oben auf dem Dachboden nach. Und dann war der ganze Dachboden voll von Getreide.

Es ist in der katholischen Kirche so, dass niemand heilig gesprochen werden kann, wenn nicht diese Zeichen der neuen Schöpfung, die wir Wunder nennen, passiert sind. Da schlägt die neue Schöpfung hier in unserer Welt durch.

Oder denken Sie an Menschen unserer Tage heute, etwa Pater Pio, der die Wundmale Jesu bekommen hat. Genauso wie Franziskus im Mittelalter. Oder denken Sie an eine Frau aus unseren Tagen: Teresa Neumann von Konnersreuth. Die hat über Jahre, ich glaube sogar über Jahrzehnte, nur von der Kommunion gelebt. Das ist, menschlich gesprochen, in dieser alten Schöpfung nicht möglich. Das ist nur möglich, weil die Kräfte der Neuen Schöpfung, die Kräfte Gottes hier in unserem Leben bereits durchschlagen.

 

Aber es ist nicht nur so bei den großen Heiligen. Es ist bei uns den normalen Christen genauso. Wenn jemand es erlebt, dass er in Christus ist, dass er mit Christus verbunden ist, dann kommen die Kräfte der Neuen Schöpfung in unserem alltäglichen Leben zum Tragen. Ich will Ihnen auch dafür Beispiele sagen:

Ich habe eine Schülerin kennen gelernt, die kurz vor dem Abitur stand. Sie machte mit dem Jugendliturgiekreis, wo sie Gottesdienste vorbereitet haben. Aber zur Kirche, zum Sonntagsgottesdienst ging sie nicht mehr. Höchstens noch, wenn der Jugendliturgiekreis die Messe gestaltet hat.

Als sie sie einmal darauf angesprochen habe, sagte sie mir: „Ach, die normale Sonntagsmesse, das bringt mir nichts.“ Das sagen ja viele Jugendliche in dem Alter. Diese Schülerin ist dann zu einem Ostertreffen im Kloster Gerleve im Münsterland gewesen. Ich bin selber gar nicht dabei gewesen; ich weiß auch nicht, was da gelaufen ist. Aber da muss sie eine ganz tiefe Jesusbegegnung erfahren haben. Und von diesem Osterfest an ist die Schülerin jeden Werktag abends zur Abendmesse gekommen. (Es war bei uns nicht jeden Abend Abendmesse, aber wenn Abendmesse war, dann war diese Schülerin dar.) Ganz normale Abendmessen, gar nicht besonderes gestaltet.

Und als sie sie dann darauf angesprochen habe, sagte sie mir: Ich weiß auch nicht, wie das kann. Aber auf einmal habe ich Freude daran.

Das war so etwas, wo die Kräfte der Neuen Schöpfung durchschlagen. Das ist ungefähr so, wenn du ein schönes Gemälde hast, das total verstaubt ist. Und dann putzt du dieses Bild, und auf einmal leuchtet es in allen Farben. So ist das, wenn die Kräfte der Neuen Schöpfung wirksam werden.

Oder wenn nur in einer Wohnung immer nur mit Kerzenlicht gearbeitet hast und du drehst einmal eine Glühbirne rein, und die ganze Wohnung ist hell erleuchtet. Das ist wie eine Erfahrung der Neuen Schöpfung, wo die Kräfte Gottes heute sichtbar werden.

 

Ich kann mich gut erinnern. Als ich vor 30 Jahren Priester wurde, da ist mir nicht so schwer gefallen wie das Predigen. Ich war jedes Mal froh, wenn sie sonntags nicht dran war. Und ich weiß wohl: in meiner erste Kaplanstelle in Recklinghausen haben die Menschen unter meinen Predigten ziemlich gestöhnt und gelitten. Hoffentlich ist der heute nicht an.

Aber dann ist in Braunschweig 1974, gut ein Jahr nach meiner Priesterweihe, dieses geschehen, dass ich eine ganz tiefe Erfahrung gemacht habe: Jesus lebt, und er lebt in mir! Und das äußere Zeichen war: Von dem Augenblick an hat mir das Predigen Freude gemacht. Von dem Augenblick hat niemand mehr in Recklinghausen mehr auf die Uhr geschaut und gesagt: Wann hört er endlich auf. Das sind Kräfte der Neuen Schöpfung, die dann durchschlagen, wenn Jesus Christus in Dir lebt, wenn er mit mir verbunden ist.

 

Übrigens, jedes Mal dann, wenn ein Mensch es schafft, seinen Feind zu lieben, den zu lieben, der dir auf den Wecker geht, dann schlagen diese neuen Kräfte Gottes durch. Denn menschlich gesehen, geht das nicht. Menschlich gesehen heißt es immer: „Wie du mir, so ich dir.“ Aber seinen Feind lieben, das geht nur mit den Kräften der Auferstehung mit den Kräften der Neuen Schöpfung mit den Kräften Gottes.

 

Und wie kommt man daran? Auch darauf gibt uns Paulus heute in der Lesung eine Antwort: Das bekommst du nicht dadurch, dass du dir mehr Mühe gibst, dass du dich besserst. Nein, Paulus schreibt ganz eindeutig: „Das alles kommt von Gott her.“ Es ist ein Wirken Gottes an uns, und nicht, dass ich etwas bringen muss.

„Das Ganze kommt von Gott her, der uns durch Christus mit sich versöhnt hat.“ Hier kommt ein Stichwort ins Spiel, das wir heute nicht mehr so gerne hören, das Stichwort ‚Versöhnung’. Das hat mit Umkehr, mit Buße, mit Beichte zu tun.

Aber hier spürt man auch etwas davon, dass Umkehr, Buße und Versöhnung kein Selbstzweck ist, sondern der Weg ist, den Gott gewählt hat, damit in unserem Leben etwas Leuchtendes sichtbar wird. Die Kräfte der Neuen Schöpfung sollen sich realisieren.

Wenn Sie so wollen, könnte man mit einem modernen Ausdruck sagen: Umkehr und Buße ist die tiefste Form von Innovation in unserer Gesellschaft. Es wird heute so viel von Innovation gesprochen. Innovation bedeutet, dass man offen ist für neue Wege, dass man offen ist für neues Denken, ja im Tiefsten, dass man offen ist für eine Erneuerung. Aber nicht die Versöhnung, die Buße selbst ist das Ziel, sondern das Leben in einer ganz neuen Dimensionen, in einer ganz neuen Qualität. Und genau das bietet Gott uns an.

Wenn einer in Christus ist, dann ist er Neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden! Amen

 

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Predigttext:  Lk 15,1-3.11-24

 

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder!

 

Vielleicht ist das Gleichnis vom „Verlorenen Sohn“ die bekannteste Geschichte im Neuen Testament. Die Kinder lernen sie bereits in der Grundschule und bei der Erstkommunionvorbereitung kennen. Unzählige Menschen haben sich durch das Beispiel des jüngeren Sohnes ermutigen lassen zur Umkehr und zu einem Neuanfang mit Gott.

Seit alters her hat diese Geschichte den Titel „Das Gleichnis vom Verlorenen Sohn“. Aber eigenartig, seit einiger Zeit hat diese Geschichte einen neuen Titel bekommen. Heute sagt man lieber: „Das Gleichnis vom barmherzigen Vater“. Man scheut sich, das Wort ‚verloren’ in den Mund zu nehmen. Das Wort ‚verloren’ kommt in unserer Verkündigung praktisch nicht mehr vor. Aber die Bibel sowohl im Alten Testament wie im Neuen Testament spricht immer wieder von der drohenden Möglichkeit, dass das Leben eines Menschen endgültig scheitern kann, dass ein Mensch verloren ist. Der ‚barmherzige’ Vater sagt am Ende der Geschichte: „Mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wieder gefunden worden.“ Ich erinnere mich: Als ich noch Jugendlicher war, habe ich beim Lesen dieser Stelle oft gedacht: Jetzt übertreibt der Vater aber maßlos. Gut, der jüngere Sohn war ganz tief runtergekommen, aber ‚tot’ oder ‚verloren’? Hat der Vater da nicht den Mund zu voll genommen?

Aber es ist schon so! In dem Augenblick, wo sich der Sohn vom Vater trennt, wo er weggeht, da ist er abgeschnitten vom Lebensstrom, da ist er tot, da ist er verloren. Heute Nachmittag habe ich im Garten die ersten blühenden Sträucher gesehen. Die Triebe sind noch ganz zart. Wenn ich so einen Zweig vom Strauch abschneide und im Haus in eine Vase stelle, dann wird er wohl viel schneller zur vollen Blüte gelangen als die Zweige draußen. Aber eins ist ganz sicher: In dem Augenblick, wo ich den Zweig abgeschnitten habe, da ist er abgeschnitten vom Lebensstrom des Wurzelstocks, da trägt er die Prägung ‚tot’ an sich. Genau so ist das bei diesem Sohn: Er hat sich vom Lebensstrom abgetrennt; er ist wirklich ein ‚toter’, ein ‚verlorener’ Sohn.

Aber schauen wir uns doch einmal diesen Vater an. Es wird nicht ausdrücklich gesagt, aber: Er lässt den Sohn gehen, als der alles zusammenpackt und weg will. Aus der Kulturgeschichte wissen wir, dass damals ein Vater Verfügungsgewalt über einen Sohn hatte bis zu dessen 40. Lebensjahr. Der Vater hätte anordnen können: „Du bleibst hier!“ Aber der Vater zwingt ihn nicht; er lässt ihn gehen, obwohl er weiß, dass dieser Weg ganz unten enden wird.

So ist Gott. Gott lässt einen Menschen gehen, wenn der sich von ihm trennen will. Gott zwingt nicht. Gott lässt uns unsere eigenen Wege gehen. Wie viele Menschen sind heute von Gott weggegangen! Nicht allein die, die aus der Kirche ausgetreten sind. Viele haben Gott stillschweigend den Rücken gekehrt und sind weggegangen. Irgendwie ist das auch furchtbar: Gott lässt dem Menschen die Freiheit zu gehen. Er lässt auch einer Gesellschaft heute die Freiheit, sich von ihm abzuwenden. Und dabei weiß er, dass die Menschheit ins Verderben rennt.

Das erste, was dieser junge Mann erlebt, als er sich vom Vater getrennt hat: Ein Leben in Saus und Braus, ein Leben im Überfluss. (Nebenbei bemerkt: Dass der junge Mann auch in der Fremde noch vom Vermögen des Vaters lebt, ist ihm wohl gar nicht bewusst!) Das ist das Furchtbare an der Sünde, dass sie scheinbar die große Freiheit verheißt. Da ist auf einmal nicht mehr die (scheinbare) Muffigkeit des Vaterhauses, keiner mehr, der Vorschriften macht; nur noch ein verschwenderisches Leben. Es ist im Grund genau so wie bei dem abgeschnittenen Blütenzweig. Auch der blüht, wenn er abgeschnitten in der Vase steht im Augenblick viel üppiger, als die Zweige am Strauch.

Aber dann kommt die Hungersnot. Und es ist schon verräterisch, zu welchem Zeitpunkt  die Hungersnot kommt: „Als er alles durchgebracht hatte“. Wenn die Hungersnot ein Jahr früher gekommen wäre, als er noch Geld in Hülle und Fülle hatte, hätte ihm das vielleicht nichts ausgemacht. Aber jetzt schlägt alles auf einmal über seinem Kopf zusammen „und es ging ihm sehr schlecht“. Das ist eine Erfahrung, die ich oft als Seelsorger gemacht habe. Wenn ein Mensch sich von Gott getrennt hat, wenn er die große Freiheit zu haben glaubte, dann brach auf einmal alles zusammen: Dann geht die Ehe in die Brüche; dann wird einer arbeitslos; dann hat er sich an der Börse verspekuliert; dann kann er das Eigenheim nicht mehr abbezahlen ... Genau das erlebt der junge Mann in unserer Geschichte. Er kam total runter, buchstäblich bis zu den Schweinen. ‚Schweine hüten’, das war damals für einen Juden die letzte Drecksarbeit. Schweine sind für den Juden unreine Tiere. Kein anständiger Jude hätte sich freiwillig dafür hergegeben, Schweine zu hüten. Übrigens: Das zeigt auch wie weit der junge Mann weggegangen war. Bei den Juden gab es keine Schweineherde, die man hüten musste.

Werfen wir zwischendurch wieder einmal einen Blick auf den Vater. Der Vater lässt den Sohn ganz runtersacken bis zu den Schweinen. Als die Hungersnot kam, hat ihm der Vater nicht einen Scheck hinterher geschickt, auch kein Carepaket. Gott lässt es zu, dass Menschen ganz tief fallen, und er greift nicht ein. Unsere Gesellschaft heute, die sich von Gott abgewendet hat, ist ganz tief runtergekommen, ja wirklich ‚bis zu den Schweinen’. Du kannst es jeden Tag in den Nachrichten verfolgen: Mord, Terror, Vergewaltigung, Ausländerhass ... Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Die gleichen Fernsehsender, die in den Nachrichte anklagen, dass ein zwölfjähriges Mädchen geschändet und getötet wird, verherrlichen eine Stunde später in ihren Spielfilmen Gewalt, Ehebruch, Prostitution usw.   ... bis zu den Schweinen!!! Und Gott greift nicht ein. Ist das wirklich ein ‚barmherziger Vater’?

Aber dann, als der Sohn in unserem Gleichnis ganz unten ist, dort am Schweinetrog, da geschieht das Wunder der Umkehr. Und es geschieht in drei Schritten. Die möchte ich Ihnen ganz tief ins Herz schreiben.

Erster Schritt:

„Da ging er in sich.“ Was ist das für einen Gnadenstunde, wenn ein Mensch vielleicht nach langer Zeit einmal in sich geht; wenn er einmal zur Stille kommt und Bilanz macht. Bei uns ist es ja heute meistens so, dass wir jede mögliche stille Zeit mit Lärm, mit Vergnügungen und Belustigungen totschlagen. Selbst die Fastenzeit, die ja eigentlich eine stille Zeit sein sollte, wo man mal in sich gehen kann, wir heute mit Belustigungen aller Art gefüllt und unterscheidet sich kaum noch von anderen Zeiten. Das wäre etwas, wenn wir diesen Schritt tun würden wie der Sohn im Gleichnis:„Da ging er in sich“. Wie sieht das praktisch aus, wenn er in sich geht und Bilanz macht? Sein Blick geht nicht zum Schweinetrog. Er denkt nicht darüber nach, wie tief er gesunken ist. Seine Gedanken gehen ins Vaterhaus zur Liebe des Vaters: ‚Mein Vater ist so gut; bei meinem Vater haben die billigsten Arbeiter, die Tagelöhner Überfluss, und ich komme hier vor Hunger um.’ Hier spürt man indirekt: Der Vater hat ihn gehen lassen, er hat ihn runterkommen lassen, aber seine Liebe ist mitgegangen bis zum Schweinetrog. Und jetzt, am Schweinetrog, begegnet dem Sohn im Herzen die Liebe des Vaters. Echte Buße richtet den Blick nicht auf die Tatsache, wie tief man runtergekommen ist. Echte Buße richtet den Blick nach oben, auf die Liebe des Vaters. In dem Augenblick, wo die Liebe und Großzügigkeit des Vaters in den Blick kommt, da wächst in dem Sohn der

Zweite Schritt:

Er fasst einen Entschluss: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner.“ Auch hier einmal einen Seitenblick: Da hat einer dem Mut zu sagen: Ich habe gesündigt! Heute machen wir ja die Umstände für alles verantwortlich. Wenn der verlorene Sohn heute leben würde, dann müsste er sagen: „Vater, wenn du damals nicht so gewesen wärest, dann wäre ich gar nicht weggegangen!“ Hier sagt der junge Mann ganz schlicht: Ich habe gesündigt. Wäre es nicht gut, wenn wir in dieser Fastenzeit wieder einmal so einen Entschluss fassen würden: ‚Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater sagen: Ich habe gesündigt’! 

Vielleicht kommt ja mancher auch bis zu diesem Punkt. Aber dann folgt notwendig der

Dritte Schritt:

„Er machte sich auf und ging“! Es gibt Menschen, die kommen immer nur bis zum zweiten Schritt. Sie nehmen sich vor, im Advent zur Beichte zu gehen. Aber dann kommt mir in der Adventszeit etwas dazwischen: ‚Ich kann ja auch noch nach Weihnachten gehen.’ Nach Weihnachten wird gerade keine Beichte in unserer Pfarrkirche angeboten: ‚Dann geh ich halt zur Fastenzeit. So lange ist das ja nicht mehr.’ Kurz vor der Fastenzeit ist mir der Pfarrer so quer gekommen mit einer Predigt: ‚Ich warte lieber bis zur Karwoche; da kommt dann ein Pater zum Beichte hören.’ Aber als der Pater da ist, habe ich gerade Besuch bekommen aus der Verwandtschaft, ‚und die kommen sowieso so selten’. „Er machte sich auf und ging.“ Das ist der dritte entscheidende Schritt. Tu diesen Schritt; schieb ihn nicht auf die lange Bank.

 

„Er machte sich auf und ging“, an dieser Stelle blendet die Geschichte um und der Vater kommt in den Blick: „Der Vater sah ihn schon von weitem kommen“. Wie groß muss die Liebe des Vaters gewesen sein, dass er im tiefsten Herzen wusste: Mein Sohn kommt zurück. Wie sehr muss der Vater gewartet haben, dass er ihn jetzt schon von weitem kommen sah.

Wie lange wartet Gott auf Dich? Jahre, Jahrzehnte vielleicht? Aber er wartet auf dich voller Liebe. Und jetzt ist es nicht so, dass der Sohn zu laufen beginnt. Nein, der alte Vater bekommt noch einmal Jugend in die Beine. „Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“ Und es war ihm so egal, dass der Sohn stank wie ein Schwein (Der kam ja gerade vom Schweinetrog.) Und als der Sohn anfängt, sein Schuldbekenntnis ‚aufzusagen’, da lässt ihn der Vater gar nicht ausreden. Der Sohn kommt gar nicht mehr dazu zu sagen: „... mach mich zu einem deiner Tagelöhner“. Der Vater fällt ihm ins Wort und ruft die Knechte: „Steckt ihm einen Ring an die Hand!“ Dieser Ring ist nicht ein Schmuckstück. Es ist der Familienring. Der Sohn hat gleichsam wieder Unterschriftsvollmacht. Und das, ohne dass er erst etwas wieder gut machen muss oder sich erst einmal bewähren muss. „Zieht ihm Schuhe an!“ Schuhe an den Füßen war das Zeichen des freien Mannes. Ein Sklave musste barfuss gehen. Der Vater lässt das Mastkalb schlachten, das für besonders festliche Anlässe da war. Aber jetzt ist ein besonderer Anlass!

„Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern.“ Das ist Buße, wie Gott sie versteht.

Schwestern und Brüder, das Fest im Himmel findet auf jeden Fall statt, auch wenn keiner von uns den Dreh zur Umkehr findet. Das Fest im Himmel fällt nicht aus. Jesus sagt: „Im Himmel ist Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.“ Das Fest im Himmel wird gefeiert, so oder so. Ob wir bei diesem Fest dabei sind, das liegt in unserer Hand.

Vielleicht beginnt es heute für Dich mit dem ‚ersten Schritt’: Da ging er in sich.

Amen.

 

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