Pfarrer Karl Sendker

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Predigten

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Predigt zum Evangelium:   Joh 11,1-45

Predigttext:    Joh 11,1-45

 

Predigt im MP3 Format

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

„Tot ist tot, da kann man nichts mehr machen!“ Das ist so eine Redensart bei uns. „Tot ist tot“, das ist ein Wort der äußersten Hoffnungslosigkeit.

„Tot ist tot“, das liegt gleichsam wie eine Bleidecke über dem Evangelium, das an diesem Sonntag gelesen wird. „Tot ist tot!“ Da ist keine Hoffnung mehr; da ist höchstens die Verwesung eingetreten, aber keine Hoffnung mehr. Vier Tage früher, da hätte noch Hoffnung bestanden, da war Lazarus krank, und da haben die Schwestern zu Jesus geschickt mit der Botschaft: „Herr, den du lieb hast, dein Freund, der ist krank.“

Und Jesus war nicht hingegangen. Stellen Sie sich das einmal vor. Und dann steht auch noch ausdrücklich dabei: Betanien war nahe bei Jerusalem. Es wäre gar nicht schwer gewesen, schnell nach Betanien zu kommen. Aber Jesus geht nicht hin. Da wäre noch Hoffnung gewesen.

Ich habe gelesen: Der Name Lazarus bedeutet auf Deutsch: „Gott hilft“. Aber Gott hatte gerade nicht geholfen. Und Jesus sagt auch noch ausdrücklich: „Ich bin froh, dass ich nicht da war.“

Und jetzt ist der Lazarus tot. Und: „Tot ist tot!“

 

 

Schwestern und Brüder, was ist Dein Lazarus? Wo ist in Deinem Leben der Lazarus? Gibt es bei uns auch solche Situationen, wo wir keine Hoffnung mehr haben, wo wir sagen: „Die Sache ist aussichtslos, da kann man nichts mehr machen“?

Da kommt eine Frau in die Seelsorge mit Tränen in den Augen und sagt mir: „Herr Pfarrer, meine Ehe ist tot. Wir leben seit Jahren nur noch im gleichen Haus, aber wir haben uns nichts mehr zu sagen. Ich bin zu einer Eheberatung gegangen, aber mein Mann ist nicht mitgegangen. Jetzt hat er eine Andere, ist aus der Wohnung ausgezogen und hat die Scheidung eingereicht. Die ganzen Jahre habe ich gehofft, dass noch was daraus werden könnte. Aber jetzt ist die Sache aus.

Oder da muss ein junger Mann zum Gesundheitsamt zur Routineuntersuchung für irgendeine Bewerbung. Der Arzt macht eine Blutabnahme und stellt fest: „Sie haben Aids.“ Und der Mann weiß ganz genau: Das ist für mich das Todesurteil auf Raten.

Oder ein ganz anderer Bereich: Jeder Bauarbeiter, der heute mit fünfzig Jahren arbeitslos wird, weiß ganz genau: Ich habe praktisch keine Chance mehr, jemals noch Arbeit zu bekommen; es ist aussichtslos. „Tot ist tot.“

 

Genau so war es hier mit dem Lazarus. Man kann den stillen Vorwurf in dem Ausruf der beiden Schwestern schon verstehen: „Herr, wenn du hier gewesen wärst, wenn du sofort gekommen wärst, als wir zu dir geschickt haben, dann wäre unser Bruder Lazarus nicht gestorben.“ Aber jetzt ist die Sache aus.

 

 

Und doch: Die Sache war nicht aus!

Jesus sagt der Martha: „Dein Bruder wird auferstehen! Habe ich dir nicht gesagt, Martha, dass du die Herrlichkeit Gottes sehen wirst, wenn du glaubst?“ Gerade die aussichtslosen Dinge sind Gottes Gelegenheit, damit die Herrlichkeit Gottes in unserem Leben sichtbar wird. Aber Jesus bindet das an den Glauben. „Habe ich dir nicht gesagt, Martha, dass du die Herrlichkeit Gottes sehen wirst, wenn du glaubst?“

 

Was ist das eigentlich für ein Glaube, den Jesus da meint, ein Glaube, der Berge versetzen kann, der einen Toten wieder lebendig machen kann? Was ist das für ein Glaube? Das ist nicht ein Glaube, wie wir so jeden Sonntag im Glaubensbekenntnis sprechen.  Ihr Glaubensbekenntnis konnte Martha auswendig heruntersagen. Als Jesus zu ihr sagt: „Dein Bruder wird auferstehen“, da spult sie so richtig ihr Glaubensbekenntnis ab: „Ja Herr, ich weiß, er wird auferstehen bei der Auferstehung am jüngsten Tage.“ Das ist genauso, als wenn wir im Glaubensbekenntnis sprechen: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen.“

 

Aber was Maria und Martha wirklich glauben, das zeigt sich, als sie mit Jesus am Grab stehen. Da sagt Jesus: „Nehmt den Stein weg!“ Und dann kommt auf einmal heraus, was Martha wirklich glaubt: „Herr, das geht nicht! Er riecht schon, da ist schon Verwesung eingetreten, der liegt schon vier Tage im Grab.“ Das war es, was sie wirklich in ihrem Herzen glaubte. Mit dem Mund kannst Du vieles sagen, aber was glaubst Du in Deinem Herzen?

Martha hat einen entscheidenden Fehler gemacht, und den machen wir auch oft. Martha hat ihren Blick gerichtet auf die widrigen Umstände: Lazarus war gestorben, die Verwesung war schon eingetreten, die Hitze war vielleicht groß, da ist die Sache aussichtslos. Das hätten wir alle auch gesagt. Martha schaut auf die widrigen Umstände.

 

Aber jetzt schau Dir einmal Jesus an. Jesus steht ja auch vor dem verwesenden Leichnam, vor dem offenen Grab. Aber da heißt es von Jesus ausdrücklich: „Jesus erhob seine Augen zum Himmel.“ Er blickt nicht auf die widrigen Umstände, auf das Loch da unten, sondern er richtet seine Augen empor zum Vater im Himmel, dem kein Ding unmöglich ist. Und dann fängt er an zu beten: „Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast.“ Interessanterweise betet er nicht: „Vater, ich bitte dich, dass du mich erhörst.“ Nein: „Ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich wusste ja, dass du mich zu jeder Zeit erhörst, aber wegen der Leute hier, die es noch nicht verstanden haben, die hier dabei stehen, sage ich es noch einmal ausdrücklich, damit die auch zum Glauben kommen.“

 

Der Glaube richtet seinen Blick auf den allmächtigen Gott, dem kein Ding unmöglich ist. Er rechnet mit der Kraft Gottes, die hier in unserem Leben wirksam wird. Der Kleinglaube oder der Unglaube richtet seinen Blick immer nur auf die widrigen Umstände.

 

Ich will ihnen dafür ein anderes Beispiel aus der Bibel sagen, das sie auch kennen: Die Geschichte von der Brotvermehrung. Da haben die Jünger fünf Brote und zwei Fische. Und was machen sie: Sie schauen: Fünf Brote, zwei Fische; auf der anderen Seite: fünftausend Männer. Fünf Brote, zwei Fische, fünftausend Männer. Das sind die widrigen Umstände. Natürlich kommen die zu dem Ergebnis: „Was ist das für so viele?“ Da kriegen wir uns nur in die Haare, wer ein Stückchen davon bekommt und wer nicht.

Und bei Jesus steht dann wieder: „Er nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte auf zum Himmel auf und sagt: Vater ich danke dir.“ Und dann ließ er austeilen.

 

 

Sehen Sie, es kommt die Zeit, vielleicht ist die gar nicht so entfernt, wo wir lernen müssen, Gott für ein Stück Brot zu glauben. Es kommt die Zeit, wo wir lernen müssen, Gott für unseren Arbeitsplatz zu glauben. Wo das nicht in erster Linie eine Sache von Tarifverträgen ist, sondern wo das eine Glaubensfrage wird. Es kommt die Zeit, und sie ist vielleicht gar nicht mehr fern, wo wir Gott glauben müssen für unsere Altersversorgung. Wo das nicht mehr eine Sache der Rentenversicherung ist. Die bricht immer mehr zusammen. Da wird das eine Glaubensfrage. Auch für die Kirche wird die Zeit kommen, wo die ganzen Strukturveränderungen, der Priestermangel, der allgemeine Glaubensschwund usw. nicht durch Sitzungen oder Aktionen zu lösen sind, wo sie vielmehr zu einer Glaubensfrage werden.

Und dann wird alles darauf ankommen, ob wir gelernt haben, mitten in den widrigen Umständen unseres Lebens aufzuschauen zu dem allmächtigen Gott, dem kein Ding unmöglich ist.

 

Wir haben nur diese Alternative: Entweder: Wir schauen auf zu Gott. Oder, wenn wir das nicht tun, dann wird wahrscheinlich irgendwann einmal der Punkt kommen, wo wir die Achseln zucken und sagen: „Tot ist tot, da kann man nichts mehr machen.“

Aber es ist besser, wenn wir gelernt haben, aufzuschauen zu Gott.  Amen.

 

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