Pfarrer Karl Sendker

Predigten - Hilfen zur Bibelarbeit

Gottesdienste - geistliches Leben

 

7. Sonntag A
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Predigten

Predigtverzeichnis  nach Bibelstellen geordnet

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Predigt zur 2. Lesung:  1 Kor 3,16-23

Predigt zum Evangelium:  Mt 5,38-48    mp3 Format

Kurzpredigt zum Evangelium:  Mt 5,43-48   mp3 Format

 

Predigttext    1 Kor 3,16-23

 

Dies ist die 6. Predigt einer siebenteiligen Predigtreihe mit dem Thema:

"Ein Hirtenbrief, der unter die Haut geht"

 

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Vor einigen Jahren hatten wir in der Pfarrgemeinde einen ökumenischen Gottesdienst zur Schulentlassung. Eine Klasse der Realschule wurde entlassen, und zum Abschluss sollte ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert werden. Und weil die katholische Kirche größer war als evangelische Kirche sollte dieser Gottesdienst in der katholischen Pfarrkirche stattfinden.

Dann haben wir zusammen gesessen, der evangelische Pastor einige Eltern, Schülerinnen und Schüler und ich, um den Gottesdienst vorzubereiten. Im letzten Gespräch, alles war schon fertig vorbereitet, die Texte, die Lieder usw., in diesem letzten Gespräch ging es nur um technische Einzelheiten: Wo soll jeder seinen Platz haben? Wo sollen die Mikrofone stehen? Wie wollen wir es mit dem Einzug in die Kirche halten? Um solche technischen Fragen ging es. Und dann kamen wir auch an die Frage, dass wir zu Beginn vor dem Tabernakel (wir sind ja in einer katholischen Kirche) eine Kniebeuge machen wollten. Da sagte der evangelische Pastor, ein tief gläubiger Mann, den ich sehr schätze: „Sie wissen ja, ich kann das mit meinen Glauben nicht vereinbaren, vor dem Tabernakel eine Kniebeuge zu machen.“ Evangelische Christen haben ein anderes Eucharistieverständnis bzw. Abendmahlsverständnis als wir katholischen Christen. Ich weiß noch, dass eine Mutter den evangelischen Pastor ganz entgeistert angeschaute: „Aber im Tabernakel ist doch das Allerheiligste!“ Und dann sagte dieser evangelische Pastor uns: „Ich könnte mich wohl umdrehen, die Gemeinde anschauen, die in den Bänken versammelt ist, und vor der Gemeinde könnte ich eine Kniebeuge machen.

 

Im ersten Augenblick haben wir uns alle angeschaut. Aber dann hat der evangelische Pastor uns diesen Abschnitt gelesen aus dem ersten Korintherbrief, der heute als zweite Lesung gelesen wurde. Und er sagte uns mit den Worten des Apostels Paulus: „Wisst ihr nicht, dass ihr, die Gemeinde, der Tempel Gottes seid? Und der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr.“ „Und darum“, sagt er, „könnte ich mich umdrehen und vor der Gemeinde eine Kniebeuge machen, weil die Gemeinde der Tempel Gottes ist, und dieser Tempel Gottes ist heilig.“

Im ersten Augenblick verschlug es uns die Sprache. Aber dann habe ich gedacht: Was hat dieser alte evangelische Pastor, dieser tiefgläubige Mensch, für eine Hochachtung vor der Kirche vor der versammelten Gemeinde.

Wenn Gott mir eine tiefe Liebe zur Kirche geschenkt hat: hier war einer der Anknüpfungspunkte, wo ich auf einmal durch das Zeugnis des alten evangelische Pastors plötzlich spürte, wie liebenswert diese heilige Kirche ist. Und wenn Paulus am Anfang seines Briefes die Christen in Korinth hinweist auf ihre Würde, die sie haben: „Ihr seid die berufenen Heiligen“, das kommt hier noch einmal zum Vorschein. Ihr, die Kirche seid nicht irgendein Verein, ihr seid der Tempel Gottes, und der ist heilig.

Wenn wir doch heute in unseren Kirchen wieder ein so tiefes Gespür entwickeln würden für die Heiligkeit der Kirche, so wie sie dieser evangelische Pastor hatte.

Paulus schreibt: „Der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr!“ Das ist die Würde der Kirche.

 

Aber wenn das stimmt, dann bekommt auch das Wort, das davor steht, eine neue Brisanz: „Wer den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben.“ Das heißt: Wer die Kirche Gottes zerstört, den wird Gott verderben, der wird von Gott gerichtet werden. Auf die Tatsache, dass in mancher Weise der Tempel Gottes zerstört wird, kommt Paulus in unserem Lesungsabschnitt auch zu sprechen. Da täusche sich keiner selbst, sagt Paulus.

 

Wodurch wird denn die Kirche, der Tempel Gottes zerstört? Was Paulus hier anspricht, haben wir in den Lesungen der letzten Sonntage schon mehrmals gehört: Wenn wir uns konzentrieren auf Menschenweisheit und nicht auf die Weisheit Gottes. Wenn im Mittelpunkt nicht zählt, was Gott will, sondern was ich will, was wir uns ausgedacht haben, dann zerstören wir im letzten die Kirche Gottes. Wie oft ist das heute so, dass wir uns selbst, unsere Anschauung in den Mittelpunkt stellen, wie ich das sehe.

Ich werde nie vergessen: Vor vielen Jahren habe ich einmal im Fernsehen eine Diskussion gesehen, damals noch mit Kardinal Höffner. Da ging es um die Freigabe der Abtreibung in den ersten drei Monaten. Ich werde nie vergessen wie Höffner, der damals Kardinal von Köln war, mit großer Vehemenz für das Recht des ungeborenen Lebens eintrat, und zwar bedingungslos. Dann sagt ihm einer der Diskussionsteilnehmer: „Herr Kardinal, ihre Auffassung in allen Ehren, aber sie können doch nicht erwarten, dass hier in der Bundesrepublik alle Menschen ihre moralischen Anschauungen übernehmen.“

Überlegen Sie einmal: Dem Kardinal ging es darum, das Recht Gottes auf den Menschen zu proklamieren. Es geht doch nicht darum, irgendwelche moralischen Anschauungen von Kardinal Höffner zu übernehmen, sondern hier geht es um den ganz tiefen Wert des Lebens, der in Gott verankert ist. In dem Augenblick, wo wir uns auf dieses Niveau einlassen, dass wir die moralische Vorstellung von Kardinal Höffner übernehmen oder nicht, da zerstören wir im letzten unsere Wertegrundlage.

 

Wie oft habe das in Diskussionen erlebt, wenn es um geistliche Fragen geht, dass die Menschen mir dann gesagt haben: „Ich sehe das aber ganz anders als Sie.“ Als wenn das interessant wäre, wie ich das sehe oder ein anderer. Wir müssen uns gemeinsam auf den Weg machen und fragen: Wie sieht Gott das! Das ist das Entscheidende; das muss das tiefste Ziel unseres Lebens und unseres Fragens sein. Sonst sind im letzten zerstörerisch.

 

Von hier aus wirft Paulus auch noch einmal einen Blick auf die Spaltungen in der Gemeinde. Wenn immer im Mittelpunkt unserer Betrachtungen steht, wie ich das sehe, wie Du das siehst, wenn Menschenweisheit im Mittelpunkt steht, dann kommt immer dabei heraus, dass sich jeder auf irgend eine menschliche Autorität beruft. Da halten sich die einen an Paulus. Andere berufen sich auf Petrus … Jeder hat so seinen „Kirchenvater“.

Und das ist heute genauso. Menschen die heute der Meinung sind, dass das ganze Unheil in der Kirche angefangen mit dem zweiten vatikanische Konzil hat, die berufen sich vielleicht auf Lefevre. Andere, die meinen, dass alles in der Kirche durch das Konzil besser geworden worden ist, die berufen sich vielleicht auf Hans Küng. Auch heute hat jeder so seinen „Kirchenvater“. Das ist heute genauso wie damals. Aber letztlich wird durch dieses Denken die Kirche zerstört, wird der Tempel Gottes verdorben.

 

Paulus sagt in diesem Zusammenhang auch: Wenn ihr euch immer nur mit Menschen befasst, mit menschlichen Autoritäten, dann seid ihr doch im Letzten unfrei. Euch gehört doch alles. Ihr seid nicht abhängig von der Meinung eines Paulus, eines Apollos eines Kephas. Euch gehört das alles. Der Paulus ist euch dienstbar. Ihr seid nicht abhängig von Paulus.

Wenn man das einmal bedenkt: die wahre Freiheit bekommt man dann, wenn man, wie Paulus das hier sagt, in einer ganz tiefen Abhängigkeit von Jesus Christus lebt. „Ihr gehört Jesus Christus.“ Das ist eure Abhängigkeit. Und wenn ihr diese tiefe Abhängigkeit von Jesus Christus lebt, dann gehört alles andere euch: Paulus, Apollos usw.

Paulus kann hier schreiben: In dem Augenblick, wo du die tiefe Abhängigkeit von Jesus Christus lebst, da gehört das Leben dir. Und das ist in eine Welt hineingesprochen, die heute von einer tiefen Lebensangst geprägt ist. Du brauchst keine Lebensangst mehr zu haben: Das Leben gehört Dir.

Da gehört der Tod Dir. Aber, so könnte man sagen: Über den Tod verfügt doch kein Mensch. Ja das mag sein, aber Du wirst auf einmal merken, dass der Tod nicht ein Schicksal ist, das Dich ereilt, sondern dass der Tod gleichsam das Tor ist in eine neue Lebensform mit Gott.

Die Gegenwartgehört Dir. Alles was heute geschieht, macht Dich nicht unfrei, sondern es gehört Dir. Du lebst heute nicht unter den Verhältnissen und Umständen, sondern Du stehst über den Umständen.

Die Zukunft gehört Dir. Du brauchst nicht in eine unsichere Zukunft hinein zu gehen. Die Zukunft heißt Jesus Christus. Die entscheidende Frage ist nicht, was auf uns zukommt, sondern wer auf uns zukommt. Wir erwarten Jesus Christus, der wiederkommen wird.

Und von da her leben wir eine ganz große Freiheit in dem Augenblick, wo wir uns an Jesus Christus gebunden haben, wo man das sagen kann: Wir gehören Christus.

 

Und dann geht Paulus noch einen Schritt weiter. Er sagt: Christus gehört Gott. Auch Jesus Christus hat eine ganz tiefe Abhängigkeit vom Vater gelebt.

Aber wenn wir das jetzt von hinten aufzäumen: Jesus, der eine solche Abhängigkeit vom Vater gelebt hat, der kann auch sagen: „Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden.“ Oder am Ende des Matthäusevangeliums: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden.“ Es ist ihm gegeben. Das ist richtig, das ist eine Abhängigkeit. Aber alles steht ihm jetzt zur Verfügung. Wer als Mensch in so einer tiefen Abhängigkeit von Jesus Christus lebt, der lebt auch die Freiheit, die Freiheit eines Christenmenschen. Und er erlebt auch die Würde des Christseins neu. Als Christen haben wir die Würde, dass wir der Tempel Gottes sind, der heilig ist.  Amen.

 

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