Pfarrer Karl Sendker

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Osternacht A
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Predigten

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Predigt zum Evangelium:   Mt 28,1-10

Predigttext:    Mt 28,1-10

 

Predigt im MP3 Format

 

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Zwei Frauen sind auf dem Weg zu den Gräbern, beide heißen Maria. Sie wollen Jesus den letzten Liebesdienst erweisen und ihn mit den kostbaren Ölen salben. Das letzte, was sie miterlebt hatten war, dass Jesus ins Grab gelegt wurde. Und so gehen sie jetzt zu den Gräbern.

Der Weg zu den Gräbern ist uns ja auch nicht fremd. Wir gehen ja auch oft zu den Gräbern. Sei es, dass ein lieber Mensch auf dem Friedhof liegt, und wir ihn dort besuchen. Es kann auch sein, dass jemand irgendwann einmal eine ganz große Enttäuschung erlebt hat in seinem Leben; dass er von einem tiefen Leid niedergebeugt wird. Das sind ja auch alles Stationen auf dem Weg zu den Gräbern. Und letztlich wird man sagen müssen: Unser ganzer Lebensweg ist im Tiefsten ein langer Weg zu den Gräbern. Und die allerletzte Etappe dieses Weges zu den Gräbern wird man getragen.

So gehen die Frauen im Evangelium am Ostermorgen zu den Gräbern. Und dann begegnet ihnen unterwegs ein Bote Gottes, ein Engel. Und der sagt zu ihnen: Ihr seid auf dem falschen Weg! Wenn ihr Jesus sucht, dann dürft ihr nicht zu den Gräbern gehen. Er ist auferstanden; das Grab ist leer! Ihr könnt euch die Stelle anschauen, wo er gelegen hat. Wenn ihr zu Jesus wollt, dann seid ihr auf dem falschen Weg. Geht nicht zu den Gräbern; ihr seid auf dem Holzweg.

Aber wenn die Frauen zu Jesus wollen und der Engel ihnen sagt: Geht nicht zu den Gräbern!, wohin sollen sie denn dann gehen? Wohin schickt sie der Engel denn dann? Da gibt der Engel ihnen eine ganz klare Weisung. Der Engel sagt ihnen nicht: Am besten geht ihr nach Jerusalem in den Tempel und feiert dort einen festlichen Gottesdienst. Nein, im Tempel von Jerusalem begegnen sie Jesus nicht. Statt dessen sagt der Engel sagt ihnen: Geht nach Galiläa! Dort werdet ihr ihn sehen, in Galiläa.

Als nun die Frauen umkehren, da begegnet ihnen der auferstandene Jesus selbst. Und er, der auferstandene Herr, sagt ihnen genau das gleiche: „Geht zu meinen Brüdern und sagt ihnen: Sie sollen nach Galiläa gehen! Dort werdet ihr mich sehen.“ Immer Galiläa, warum eigentlich? Was hat das mit Galiläa auf sich, dass die Frauen und die Jünger nach Galiläa geschickt werden, um dem Auferstandenen zu begegnen?

Das hat einen ganz tiefen Hintergrund. Sehen Sie, Galiläa ist die Landschaft in Israel gewesen, wo Jesus die meiste Zeit seines öffentlichen Wirkens zugebracht hat. Galiläa, da liegt der See Genesareth, dort hat er dem Petrus den reichen Fischfang geschenkt; dort hat er die Brotvermehrung gewirkt. In Galiläa liegt das Dörfchen Kana, wo er Wasser in Wein verwandelt hatte. Die Leute haben damals in Galiläa miterlebt: Überall, wo Jesus ist, gibt er Fülle. Fülle an Brot, Fülle an Wein, Fülle an Fischen, Fülle des Lebens.

In Galiläa hatte Jesus die Bergpredigt gehalten, und es hat die Leute getroffen ins Herz. Sie waren erschüttert von seinen Worten. Sie standen ratlos davor und sagten: Noch nie hat ein Mensch so geredet wie der. Der redet ganz anders als die Theologen, die Schriftgelehrten. Die diskutieren immer nur. Und Jesus kommt daher und sagt mit letzter Gewissheit: „Amen, ich sage euch ...!“ Und danach gibt es keine Diskussion mehr. Es hat sie ins tiefste Mark getroffen.

Galiläa, das ist die Landschaft, in der Kapharnaum liegt. Da wohnte der Gelähmte, den sie durchs Dach heruntergelassen hatten. Und die Leute, die dabei standen, waren außer sich vor Staunen: So etwas hatten sie noch nie erlebt. Jesus schenkt diesem Gelähmten Vergebung, aber auch Heilung, dass er seine Matte nehmen konnte, und er trug sie nach Hause.

Galiläa, das ist die Landschaft, wo das kleine Örtchen Nain lag. Und als Jesus dort hinkommt, trifft er auf einen Leichenzug. Da wird gerade ein junger Mann zu Grabe getragen, und die Mutter geht gebeugt hinter diesem Leichenzug her. Jesus hält den Leichenzug an, und er sagt zu diesem jungen Mann: „Ich sage dir stehe auf!“ Und der steht auf, und Jesus gibt ihn seiner Mutter zurück. Sie war schon Witwe; und ihren einzigen, den sie zu Grabe tragen musste, der wird ihr von Jesus zurückgegeben.

Das alles bedeutet Galiläa. Wenn man es in einem Gedanken zusammenfasst, dann kann man sagen: Die Königsherrschaft Gottes, das Reich Gottes, ist in aller Macht und Herrlichkeit in Galiläa sichtbar geworden. So wie das im Alten Testament die Propheten angekündigt hatten: „Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Tote werden auferweckt.“ Das haben die Leute erlebt damals, als Jesus in Galiläa wirkte.

Frag einmal eine Frau wie die Sünderin, die sich zu Jesu Füßen ausgeweint hat, und die dann mit ihren Haaren die Füße abgetrocknet hat. Frage diese Frau einmal, was für sie Galiläa bedeutet. Sie wird Dir eine lange Geschichte erzählen können. Das war Galiläa, Fülle und Herrlichkeit; die Kraft Gottes wurde sichtbar.

Aber dann kam ein furchtbarer Bruch, ein Zusammenbruch, und das war der Karfreitag. Dieser Jesus, der in Galiläa so große Dinge geredet und gewirkt hat, hängt wie ein Verbrecher am Kreuz. Und auf einmal scheint alles das, was die Leute in Galiläa erlebt haben, mit einem großen Fragezeichen versehen zu sein. Das Kreuz Jesu ist gleichsam wie ein Strich durch alle Erfahrungen, die die Menschen in Galiläa mit Jesus gemacht hatten.

Was bringt das denn, wenn Jesus den Menschen verkündet hat: Gott ist euer Vater, der für euch sorgt, der barmherzig ist. Und jetzt hängt er selber am Kreuz und ruft nur noch: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ Was bringt das denn, wenn er in Galiläa Menschen geholfen hat in allen möglichen Nöten. Und jetzt hängt er selber hilflos am Kreuz und kann sich nicht helfen. Wenn die Leute unter dem Kreuz gerufen haben, „anderen hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen. Er soll doch herabsteigen vom Kreuz!“ Da war ja was dran. Und alle, die von Galiläa mit dabei waren, die haben tatsächlich gedacht: Warum kommt er denn nicht vom Kreuz herunter, wenn er uns geholfen hat. Was nützt das, wenn er die Menschen in Galiläa getröstet hat. Und jetzt hängt er selber trostlos und verlassen am Kreuz, hilflos, wie ein Verbrecher hingerichtet. Alle Erfahrungen von Galiläa waren wie eine Seifenblase, die jetzt, am Karfreitag zerplatzt war. Es war ein schöner Traum gewesen, aber es war eben nur ein Traum.

Wenn man wissen will, wie den Jüngern am Karfreitag zumute war, dann schau Dir mal die Emmausjünger an. Wie die mit einem total zerbrochenen Herzen von Jerusalem weggehen. „Wir hatten gedacht: jetzt bricht das Reich Gottes an. Er ist es, der Israel erlösen wird; und jetzt ist alles aus.“

Und dann kann man vielleicht verstehen, was es bedeutet; dass dieser Gekreuzigte lebt. Der Weg der Hoffnungslosigkeit, der Resignation, der Angst, der Trauer ist ein Irrweg. Kehre um, wenn du auf diesem Weg bist! Jesus der Gekreuzigte lebt. Und die Tatsache, dass Gott seinen Sohn am Ostermorgen auferweckt hat, bedeutet für diese Menschen, die in Galiläa mit Jesus zusammen gewesen waren: Alles das, was ihr mit ihm in Galiläa erlebt habt, war nicht nur eine Seifenblase, die zerplatzt ist. Gott hat unter alle ihre Erfahrungen von Galiläa sein amtliches Siegel gesetzt: Das alles gilt, auch über den Tod hinaus, auch über das Kreuz hinaus, auch über den Karfreitag hinaus! So wie wir es in einem Osterlied singen: „Verbürgt ist nun die Göttlichkeit von Jesu Werk und Wort. Und Jesus ist im letzten Streit für uns ein sichrer Hort.“ Jesus lebt! Und alle Erfahrungen von Galiläa sind beglaubigt worden von Gott durch die Auferweckung seines Sohnes.

 

Was ist die Botschaft dieses Osterfestes an uns? Frag Dich einmal heute am Osterfest, frag Dich einmal: Wo ist Dein Galiläa? Wo ist das Galiläa in deinem Leben? Ich will ihnen erklären, was ich damit meine:

Hast Du das schon einmal erlebt, dass Du jeden Sonntag das Wort Gottes gehört hast, vielleicht sogar in der Bibel gelesen hast, aber irgendwann einmal hat Dich ein Wort aus der heiligen Schrift, ein Wort Gottes, bis ins tiefste Mark getroffen, und du hast gespürt: Jetzt meint Gott mich ganz persönlich. Das hatten die Menschen in Galiläa damals bei der Bergpredigt erlebt. Das ist Dein Galiläa.

Hast Du das schon einmal erlebt, dass du so richtig down warst, so richtig unten. Du hattest überhaupt keinen Lebensmut mehr, weil die Probleme immer größer wurden. Und dann hat Gott Dir plötzlich Frieden ins Herz geschenkt, so dass alle, die das miterlebt hatten, sich wunderten: Wie kommt das, dass der einen solchen Frieden hat. Vielleicht hat Gott Dir einen anderen Menschen über den Weg geschickt, der Dich mit einem Wort getröstet hat. Das war nicht nur ein billiger Trost; er hat Dich völlig wieder aufgerichtet. Das ist Dein Galiläa.

Hast Du das schon einmal erlebt, dass Du gebetet hast; und Gott hat Dein Gebet erhört. Gut, Du wärst nie auf die Idee gekommen zu sagen: Gott hat ein Wunder gewirkt. Aber Du hast im tiefsten gewusst: Gott hat mein Gebet erhört. Das ist Dein Galiläa.

Und will uns die Botschaft dieses Osterfestes sagen: Wann immer Du auf einem Weg der Trauer bist, der Resignation, der Angst und der Verzweiflung - und das sind heute viele Menschen. Kehre um und geh einmal in Gedanken zu Deinem Galiläa zurück, wo Du Jesus erlebt hast, wo Du Gott erlebt hast als einen lebendigen Gott, wo Du eine gute Erfahrung mit ihm gemacht hast. Du wirst merken: In dem Augenblick, wo du mit deinen Gedanken und mit deinem Herzen zu deinem Galiläa gehst, da wird einer mit dir gehen, der Auferstandene selbst.

Schau Dir in diesem Zusammenhang noch einmal die Emmausjünger an. Was haben die denn gemacht? Mit den Füßen waren die unterwegs nach Emmaus, aber mit den Gedanken, mit ihrem Herzen und mit ihren Worten waren sie in Galiläa. Das steht da in der Geschichte: Sie sprachen über all das, was sie mit Jesus erlebt hatten. Das war in Galiläa gewesen, was sie mit Jesus erlebt hatten. Und dann geschieht es, während sie mit ihrem Herzen, mit ihren Gedanken, mit ihren Worten in Galiläa sind, da kommt einer und geht mit ihnen. Sie erkennen ihn nicht. Aber er spricht mit ihnen, und da fängt ihr Herz an zu brennen. Da wird aus Resignation Freude, da wird aus Trauer und Weinen auf einmal Jubel.

Gehe zu Deinem Galiläa und Du wirst merken: Jesus lebt. Vielleicht sagst Du jetzt: Ich habe selber so ein Galiläa noch nie erlebt. Mag sein, aber vielleicht kennst Du einen Menschen, der so eine persönliche Erfahrung mit dem lebendigen Gott hat, der sein Galiläa erlebt hat. Vielleicht kennst du einen solchen Menschen. Dann geh zu dem hin, und lass dich von ihm mitnehmen nach Galiläa. Aber geh nicht weiter auf dem Weg zu den Gräbern. Geh nach Galiläa, und du wirst ihm begegnen, dem lebendigen Gott. Und du wirst es daran spüren, dein Herz anfängt zu brennen, heute. Amen.

 

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