Pfarrer Karl Sendker

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Opfer oder Öpferchen
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Opfer oder Öpferchen

 

Ein Fasten, wie es Gott gefällt

 

 

Wenn heute in unserer Gesellschaft über Fasten geredet wird, dann geht es in der Regel um das Thema Gewichtsabnahme. Was tun die Menschen heute nicht alles dafür, um überflüssige Pfunde los zu werden. Da macht man eine Diät, eine Schlankheitskur nach der anderen, nur, um von seinem Übergewicht runter zu kommen.

Ich hoffe nur, dass nicht jemand auf die Idee kommt, das wäre der Sinn der Fastenzeit. Ich selber brauche nur in den Spiegel zu schauen, um deutlich vor Augen geführt zu bekommen, dass ich für diese Art von fasten nicht der richtige Referent bin.

 

Daneben ist heute eine andere Form des Fastens in Mode gekommen. Da geht es darum, durch den Verzicht auf feste Nahrung und dadurch, dass man sich nur von Wasser bestimmten Teesorten ernährt, den Körper zu entschlacken und dadurch gesund zu werden, und vielleicht auch den Geist und die Seele zu entschlacken. Solche Fastenkuren werden heute unter dem Stichwort Heilfasten auch in etlichen Kirchengemeinden praktiziert. Aber auch da muss ich gestehen: Ich habe selber noch nie so ein Heilfasten mitgemacht.

 

Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, dann bestand Fasten für uns Kinder darin, dass man auf Süßigkeiten verzichtet. Die ganze Fastenzeit über mussten wir alles an in einem Einmachglas sammeln. Diese Glas stand bei uns oben auf dem Küchenschrank. Und erst Ostern durfte dieses Einmachglas mit den Süßigkeiten geplündert werden. Eigentlich war das ganz furchtbar. Das ganze Jahr über hat bei uns nie ein Einmachglas mit Süßigkeiten auf dem Schrank gestanden, nur in der Fastenzeit. Das war schon manchmal für uns Kinder eine große Versuchung, dann heimlich doch diese Süßigkeiten zu essen.

Und ich habe bei noch vor einigen Jahren am Aschermittwoch, als wir für die Schüler und Schülerinnen der Grundschule einen Schulgottesdienst, hatten, gefragt, was man denn in der Fastenzeit tun könnte. Dann kommt regelmäßig als erstes die Antwort: auf Süßigkeiten verzichten. Aber ob das der Sinn der Fastenzeit ist?

 

Als dann die Zeit der Süßigkeiten vorbei war, weil wir älter geworden waren, da hat man dann andere Formen gefunden. Da hat dann gesagt: Wir wollen auf Alkohol verzichten oder auf Zigaretten. Aber die Frage entsteht dann sofort: Was soll denn dann der Nichtraucher machen. Sollte der dann anfangen zur rauchen? Für mich wäre es das größte Opfer, wenn ich in der Fastenzeit das Rauchen anfangen würde.

Wir haben einmal einen Bibelkreis gehalten mit Frauen zur Vorbereitung einer Messe in der Fastenzeit mit dem Thema: „Ein Fasten, wie es Gott gefällt“. Da kommen dann manche ironische und spöttischen Bemerkungen nach dem Motto: „Man muss auch mal auf ein Opfer verzichten können“ oder so. Und eine Frau sagte: Das ist doch kein Fastenopfer, das sind höchstens Öpferchen aber nicht Opfer.

 

Wenn wir in die Bibel hineinschauen, dann finden wir eigentlich gar nicht so viel zum Thema Fasten. Aber da muss man doch genau hinschauen. Warum fasten die Menschen eigentlich?

 In der Bergpredigt sagt Jesus:

„Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler. Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten. Amen, das sage ich euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.“ (Mt 5,16)

 

Da hatte es offensichtlich Menschen gegeben, die haben das Fasten als einen religiösen Sport aufgefasst, als eine religiöse Höchstleistung. Damit die Leute merken, dass sie Fasten. Und davor warnt Jesus.

An einigen Stellen im Neuen Testament spürt man, dass solche Fastenübungen nicht nur geübt werden, um von den Menschen gesehen zu werden, sondern auch, um sich vor Gott zur Schau zu stellen. Sie kennen die Geschichte die Jesus einmal erzählt er vom Pharisäer und Zöllner. (Lk 18,9-14)

„Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.“

 

Da ist das Fasten eine reine Show, um sich vor Gott zur Schau zu stellen. Man will Gott beeindrucken. Und Jesus warnt vor einer solchen Haltung und sagt: Du Heuchler!

 

Im Alten Testament beim Propheten Jesaja im 58. Kapitel merkt man, dass offensichtlich von den Menschen auch gefastet wurde, um Gott zur Erhöhung von Gebeten zu bewegen. Da klagt Gott beim Propheten Jesaja:

„Sie fordern von mir ein gerechtes Urteil und möchten, dass Gott ihnen nah ist. Warum fasten wir, und du siehst es nicht? Warum tun wir Buße, und du merkst es nicht?“ (Jes 58,2-3)

 

Man glaubt offensichtlich, mit Fastenübungen Gott beeindrucken zu können und den Arm Gottes bewegen zu können. Aber über so ein Fasten sagt Gott:

„Ist das ein Fasten, wie ich es liebe? … Nennst du das ein Fasten und einen Tag, der dem Herrn gefällt?“ (Jes 58,5)

Und beim Propheten Jeremia sagt Gott in einem ähnlichen Zusammenhang:

„Auch wenn sie fasten, höre ich nicht auf ihr Flehen; wenn sie Brandopfer und Speiseopfer darbringen, habe ich kein Gefallen an ihnen.“ (Jer 14,12)

 

Wer nur fastet, um vor den Menschen gesehen zu werden oder um Gott zu beeindrucken mit einer religiösen Leistung, da sagt Gott: Das ist nicht ein Fasten, wie es mir gefällt.

 

Die erste Frage, auf die wir eine Antwort suchen müssen, heißt: Warum will ich eigentlich fasten? Was ist der Sinn meines Fastens? Was habe ich damit vor, wenn ich faste?

Es lohnt sich, über diese Frage einmal still zu werden.

 

 

 

Nachdem wir kurz die Frage angerissen haben, warum wir eigentlich Fasten, möchte ich nun in einem zweiten Schritt einen Blick ins Neue Testament werfen. Interessant ist, dass im Neuen Testament vom Fasten gar nicht so viel die Rede ist, wie man zunächst vermuten würde. Gut, es steht in der Versuchungsgeschichte Jesu, dass er vierzig Tage gefastet hat. Aber wenn man einmal genau hinschaut, dann merkt man auch, dass der Schwerpunkt dieser Geschichte nicht auf der Tatsache liegt, dass Jesus gefastet hat. Das wird nur so beiläufig erwähnt. Das Fasten Jesu ist vielmehr nur der Anknüpfungspunkt für die erste Versuchung, wo der Teufel ansetzen kann. Im Markusevangelium wird das Fasten Jesu in der Versuchungsgeschichte überhaupt nicht erwähnt.

Sonst wird von Jesus nirgendwo gesagt, dass er gefastet hätte. Ganz im Gegenteil, es gibt eine Stelle im Neuen Testament (Mt 11,16-19), die uns vielleicht in diesem Zusammenhang sogar befremden kann. Da geht es um Johannes den Täufer. Da sagt Jesus den Menschen: „Ihr seid wie kleine Kinder, denen man es nicht recht machen kann. Johannes der Täufer kam, er aß nicht und trank nicht, dass heißt, er hat asketisch gelebt, er hat gefastet, da sagen sie: Er hat einen Dämon, ist besessen. Dann kommt der Menschensohn, er aß und trank, und das sagen sie: Er ist ein Vielfraß und Trinker, ein Kumpan von Zöllnern und Sündern.“

Wenn man Jesus das nach gesagt hat, dass er ein Vielfraß und Weintrinker ist, dann bedeutet das doch indirekt, dass Jesus auf seine Zeitgenossen nicht den Eindruck eines Fastenkünstlers gemacht hat. Er hat wahrscheinlich auch den jüdischen Fasttag, den Versöhnungstag gehalten, davon darf man ausgehen. Aber das typische Kennzeichen für ihn war nicht das Fasten oder Asket zu sein.

 

Im zweiten Kapitel des Markusevangeliums gibt es eine Stelle, die uns zum Thema Fasten auf eine wichtige Fährte setzt. Da heißt es:

„Da die Jünger des Johannes und die Pharisäer zu fasten pflegten, kamen Leute zu Jesus und sagten: Warum fasten deine Jünger nicht, während die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer fasten? Jesus antwortete ihnen: Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Solange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten.“ (Mk 2,18-19)

 

Der Hintergrund ist Folgender: Im Judentum gab es einen großen vorgeschriebenen Fasttag im Jahr, das war der Versöhnungstag. Aber die frommen Juden, etwa die Pharisäer, fasteten freiwillig zweimal in der Woche. Und die kommen nun zu Jesus und sagen: Warum fasten die Jünger des Johannes, und deine Jünger fasten nicht? Sie wollen ihm einen Strick daraus drehen. Die Antwort, die Jesus ihnen dann gibt, ist mir ganz wichtig. Er sagt: „Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist?“

Das bedeutet: Im Mittelpunkt steht nicht das Fasten, und auch nicht ein Fastengebot. Im Mittelpunkt steht der Bräutigam. Es geht um Jesus Christus, der wie ein Bräutigam vor den Menschen steht. Mehrmals wird in der Heiligen Schrift Gott mit einem Bräutigam verglichen. Beim Propheten Jesaja z.B. heißt es:

„Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich.“ (Jes 62,5)

Jesus steht gleichsam wie ein Bräutigam vor der Tür unseres Herzens. Er klopft an und wirbt um unsere Gegenliebe. Und wenn du ihm die Türe aufmachst, dann kommt er dir nicht mit einem Fastengebot, sondern dann umfängt er dich mit seiner Liebe.

Vielleicht ist das der tiefste Sinn des Fastens, dass wir wieder neu entdecken: Es geht um den Bräutigam, es geht um IHN, es geht um Jesus Christus, um seine Liebe zu den Menschen, die grenzenlos ist. Und es geht nicht in erster Linie um eine religiöse Pflicht.

 

Wahrscheinlich sind Viele von Ihnen verheiratet. Ich frage Sie einmal: Können Sie sich noch daran erinnern wie Ihre Brautzeit damals war, wo sie einen Menschen sehr geliebt haben? Können Sie sich noch erinnern, wie man dann jeden Tag zum Briefkasten gerannt ist und nachgeschaut hat, ob Post von dem geliebten Menschen gekommen war? Erinnern Sie sich noch, wie man gar nicht genug Zeit mit diesem Menschen verbringen konnte? Aber, dann auch in Richtung auf Fasten und Verzicht, da war einem kein Opfer zu viel für diesen geliebten Menschen. Was hat man nicht alles an Verzicht auf sich genommen, man hat weite Entfernungen in Kauf genommen, die man vielleicht mit dem Fahrrad gefahren ist, um möglichst viel Zeit mit diesem geliebten Menschen zu verbringen.

Und genau hier liegt eine der tiefsten Wurzeln des christlichen Fastens. Um des Bräutigams willen bin ich bereit, auf vieles verzichten. Seine Liebe ist mir so unglaublich wertvoll und kostbar. Und ich möchte sie mit meiner Gegenliebe beantworten. Und darum bin ich bereit, auf vieles in dieser Welt, was gut ist, was wertvoll ist, zu verzichten. In dieser Weise hat die Fastenzeit eine Bedeutung. Er, der Bräutigam steht im Mittelpunkt, der um Gegenliebe wirbt. Darum bin ich bereit, Opfer auf mich zu nehmen.

 

Es gibt ein andere Stelle im Neuen Testament, die in diesem Zusammenhang vielleicht auch hilfreich ist. Ich meine die Geschichte vom reichen Jüngling  Jesus sagt diesem jungen Mann.

„Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach! Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen.“ (Mk 10,17-22)

Diese Geschichte vergleichen wir einmal mit dem Gleichnis vom Schatz im Acker:

„Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker.“ (Mt 13,44)

 

Beide Male geht es darum, alles zu verkaufen. Aber im Gleichnis steht nicht der Verzicht im Vordergrund, sondern der Schatz, den einer gefunden hat. Wir müssen wieder lernen, dass es um einen Schatz geht, dass wir in Jesus einen Schatz gefunden haben. Nicht umsonst sagen ja auch Verliebte zu einander: „Du bist mein Schatz.“

Wenn ich diesem Schatz gefunden habe, dann kann ich auf vieles verzichten, dann kann ich Opfer bringen, dann kann ich Entbehrungen auf mich nehmen, um Gemeinschaft zu haben mit meinem Bräutigam Jesus Christus.

 

Schauen Sie einmal, wie der Apostel Paulus das ausdrückt in seinem Brief an die Philipper:

„Ich sehe alles als Verlust an, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, alles übertrifft. Seinetwegen habe ich alles aufgegeben und halte es für Unrat, um Christus zu gewinnen und in ihm zu sein.“ (Phil 3,8-9)

 

Wenn wir dieses Bild vom Bräutigam vor uns haben, dann können wir als Ergänzung noch eine Stelle lesen aus dem Propheten Hosea. Da nennt Gott sein Volk Israel eine treulose Braut. Gott hatte sich über sein Volk gefreut, wie sich der Bräutigam über die Braut freut. Aber nun ist diese Liebe bei seinem Volk erkaltet. Und da sagt Gott:

„Ich will selbst sie verlocken. Ich will sie in die Wüste hinausführen und sie umwerben.“ (Hos 2,16)

 

Jeder, der ein wenig mit dem biblischen Sprachgebrauch vertraut ist, der weiß, dass die Wüstenzeit, wo Gott sein Volk vierzig Jahre durch die Wüste ins Gelobte Land geführt hat, verglichen wird mit der Brauzeit Israels. Da war Israel der Führung Gottes gehorsam gewesen, wenn auch oft unter Murren. Gottes Führung wurde sichtbar in der Wolkensäule und in der Feuersäule, die dem Volk voran zog.

Und jetzt sagt Gott beim Propheten Hosea: Ich will meine Braut wieder zurückführen in die Wüste. Ich will gleichsam bei dieser Brautzeit des Volkes noch einmal anknüpfen, und ich will neu um meine Braut werben,

Aber in diesem Zusammenhang ist auch wichtig, dass die Wüste ein Ort der Kargheit ist, wo es keinen Luxus gibt, wo man vieles entbehren muss, wo man auf das Notwendigste zurückgeworfen ist. Wenn Gott sein Volk in wieder in diese Kargheit zurückführen will, dann tut er das nicht um der Entbehrungen willen. Er will seinem Volk die Möglichkeit schenken, sich ganz neue auf den Bräutigam einzulassen, ohne die vielen Einflüssen von außen, die uns ablenken und uns von Gott abziehen wollen.

 

Ich sage es noch einmal: Es ist wohl das tiefste Ziel der Fastenzeit, neu zu entdecken, dass da ein Bräutigam ist, der mich über die Maßen liebt. Und ich möchte ihn auch lieben. Ich bin bereit, Verzicht auf mich zu nehmen um dieser Liebe willen.

Und wenn du diese erste Liebe verlassen hast, dann darfst du dich zurückführen lassen die Wüste, in die Anfangserfahrung mit dem liebenden Gott, um dich diesem Gott wieder neu zuzuwenden.

 

 

 

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass im Neuen Testament gar nicht sehr viel vom Fasten die Rede ist. Aber an einer ganz wichtigen Stelle, an einem Knotenpunkt ist eben doch vom Fasten die Rede. Und zwar im 13. Kapitel der Apostelgeschichte. Wir stehen an einem Wendepunkt der frühen Mission. Bis dahin war die Botschaft von Jesus Christus nur in Palästina und in Syrien verbreitet worden. Jetzt soll die Missionsarbeit in großem Stil losgehen. Da heißt es am Anfang des 13. Kapitels der Apostelgeschichte:

„In der Gemeinde von Antiochia gab es Propheten und Lehrer: Barnabas und Simeon, genannt Niger, Luzius von Zyrene, Manaën, ein Jugendgefährte des Tetrarchen Herodes, und Saulus. Als sie zu Ehren des Herrn Gottesdienst feierten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Wählt mir Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie mir berufen habe. Da fasteten und beteten sie, legten ihnen die Hände auf und ließen sie ziehen.“ (Apg 13,1-3)

 

Hier an diesem ganz entscheidenden Wendepunkt, wo die Heidenmission beginnt, da ist vom Fasten die Rede. Da wird in Verbindung mit dem Gottesdienst und dem Gebet auch gefastet. Aber auch hier geht es nicht darum, irgend ein Fastengebot zu erfüllen, sondern es geht darum, in dieser entscheidenden Situationen zu erkennen, was jetzt in dieser konkreten Situation der Wille Gottes ist. Sie bitten Gott, das er ihnen den Heiligen Geist schenkt, damit sie seinen Willen erkennen und dann auch tun. Und als äußeres Zeichen dafür, dass ihnen das wichtig war, den Willen Gottes zu erkennen und zu tun, haben sie neben dem Gebet auch gefastet.

Das Fasten kann eine Hilfe sein, dass wir all die vielen Dinge, die uns beeinflussen, beiseite lassen und uns ganz auf den Willen Gottes einlassen und ausrichten.

 

Etwas Ähnliches finden wir wenig später in der Apostelgeschichte, als Paulus am Ende der ersten Missionsreise noch einmal einen zweiten Besuch macht bei den Gemeinden, die sie auf der ersten Missionsreise gegründet hatten. Da heißt es:

„Am anderen Tag zog Paulus mit Barnabas nach Derbe weiter. Als sie dieser Stadt das Evangelium verkündet und viele Jünger gewonnen hatten, kehrten sie nach Lystra, Ikonion und Antiochia zurück. Sie sprachen den Jüngern Mut zu und ermahnten sie, treu am Glauben festzuhalten; sie sagten: Durch viele Drangsale müssen wir in das Reich Gottes gelangen. In jeder Gemeinde bestellten sie durch Handauflegung Älteste und empfahlen sie mit Gebet und Fasten dem Herrn, an den sie nun glaubten.“ (Apg 14,21-23)

 

Auch hier geht es um eine wichtige Frage: Wer soll in den Gemeinde Vorsteher, Gemeindeleiter werden? Es gab ja noch keine fest gefügt Ämterstruktur, weil es sich um ganz kleine Hausgemeinden handelt. Wem soll dort die Leitung anvertraut werden? Da wird nun keine Personaldiskussion gemacht. Man entscheidet auch nicht nach Vorlieben oder Vorzügen, sondern unter Fasten und Beten sucht man, den Willen Gottes zu erkennen.

Das ist Fasten, wie es Gott gefällt, dass wir uns ausrichten auf den Willen Gottes.

 

In diesem Zusammenhang muss man auch Folgendes sehen: Fasten wird in der Bibel sehr oft in Zusammenhang genannt mit dem Gebet. Aber nicht in der Weise, dass wir jetzt Gott durch unser Fasten beeindrucken wollen, sondern als Ausdruck des ernsthaften Ringens um den Willen Gottes.

Da kommt einmal zu einem Wüstenvater, einem Mönch, ein Schüler und klagt: „Vater, ich kann nicht mehr beten. Kannst du mir beten helfen?“ Und der Wüstenvater fragt zurück: „Was hast du denn heute zu Mittag gegessen?“ Als der Schüler dann aufzählt, was er mittags alles gegessen hat, schaut ihn der geistliche Vater an und sagt ihm als Antwort: „Ein wohlgefüllter Bauch wird die Geheimnisse Gottes nie ergründen.“

Darin liegt eine ganz tiefe Weisheit. Wir kennen das sogar noch in unserer Redensart: „Voller Bauch studiert nicht gern.“ Wenn man richtig voll ist, satt ist, dann hat man nicht mehr diese angespannte Wachheit, auch nicht diese Wachheit auf Gott hin. Die kommt in der Verbindung mit Fasten und Beten.

 

Und wenn man das einmal sieht, dass es beim Fasten darum geht, sich neu auszurichten auf den Willen Gottes, dann entdeckt man auf einmal im Neuen Testament auch andere Stellen, die in diesen Zusammenhang passen wie ein Puzzle, obwohl das Stichwort Fasten gar nicht fällt.

Da zum Beispiel schreibt Johannes in seinem ersten Brief im zweiten Kapitel:

„Liebt nicht die Welt und was in der Welt ist! Wer die Welt liebt, hat die Liebe zum Vater nicht. Denn alles, was in der Welt ist, die Begierde des Fleisches, die Begierde der Augen und das Prahlen mit dem Besitz, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Die Welt und ihre Begierde vergeht; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.“ (1 Joh 2,15-17)

 

Auch hier geht es darum, den Willen Gottes zu erkennen und zu tun. Um diesen Willen Gottes zu erkennen, muss man manches von den Begierden dieser Welt abtun, beiseite legen.

 

Ähnlich schreibt der Apostel Paulus im ersten Korintherbrief im neunten Kapitel. Er gebraucht da das Bild von einem Sportler. Auch ein Sportler muss „fasten“, muss auf vieles verzichten, muss entbehren. Aber er tut das, weil er ein Ziel vor Augen hat. Und das hat der Apostel Paulus hier beschrieben:

„Wisst ihr nicht, dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber dass nur einer den Siegespreis gewinnt? Lauft so, dass ihr ihn gewinnt. Jeder Wettkämpfer lebt aber völlig enthaltsam; jene tun dies, um einen vergänglichen, wir aber, um einen unvergänglichen Siegeskranz zu gewinnen. Darum laufe ich nicht wie einer, der ziellos läuft, und kämpfe mit der Faust nicht wie einer, der in die Luft schlägt; vielmehr züchtige und unterwerfe ich meinen Leib, damit ich nicht anderen predige und selbst verworfen werde.“ (1 Kor 9,24-27)

 

Dieses Bild vom Sportler ist mir ganz kostbar. Er nimmt sich in Zucht, sagt Paulus. Und ich denke schon, ob das nicht auch ein Sinn der Fastenzeit wäre, sich in Zucht zu nehmen, um dieses Zieles willen: den Lauf zu vollenden und den Siegeskranz der himmlischen Berufung zu erlangen.

 

 

 

Noch einen Aspekt des Fastens wie er uns in der Bibel, diesmal im Alten Testament besonders beschrieben ist, möchte ich anführen: Fasten als Ausdruck einer Bußgesinnung.

Da gibt es den Propheten Jona. Der soll im Auftrag Gottes nach Ninive gehen, in diese große gottlose Stadt. Er soll ihr das Strafgericht Gottes verkünden. Noch vierzig Tage und Ninive wird zerstört. Aber dann heißt es im dritten Kapitel im Buch Jona:

 

„Die Leute von Ninive glaubten Gott. Sie riefen ein Fasten aus, und alle, groß und klein, zogen Bußgewänder an. Als die Nachricht davon den König von Ninive erreichte, stand er von seinem Thron auf, legte seinen Königsmantel ab, hüllte sich in ein Bußgewand und setzte sich in die Asche. Er ließ in Ninive ausrufen: Befehl des Königs und seiner Großen: Alle Menschen und Tiere, Rinder, Schafe und Ziegen, sollen nichts essen, nicht weiden und kein Wasser trinken. Sie sollen sich in Bußgewänder hüllen, Menschen und Tiere. Sie sollen laut zu Gott rufen, und jeder soll umkehren und sich von seinen bösen Taten abwenden und von dem Unrecht, das an seinen Händen klebt. Wer weiß, vielleicht reut es Gott wieder, und er lässt ab von seinem glühenden Zorn, so dass wir nicht zugrunde gehen.“ (Jona 3,5-9)

 

Hier lässt der König Ninive ein Fasten ausrufen. Er setzt sich in Sack und Asche. Aber dieses Fasten geschieht nicht, um bei Gott etwas erreichen. Im Zentrum steht: Jeder soll umkehren und sich von seinen bösen Taten abwenden.. Diese Umkehrbereitschaft, diese Bußgesinnung steht im Mittelpunkt. Und als sichtbares Zeichen dafür, dass sie es mit dieser Bußgesinnung ernst meinen, setzen sie auch ein leibliches Zeichen. Sie fasten und verzichteten auf Nahrungsmittel.

 

Ähnliches finden wir an manchen anderen Stellen im Alten Testament. Beim Propheten Daniel im neunten Kapitel steht ein großes Bußgebet.

„Ich richtete mein Gesicht zu Gott, dem Herrn, um ihn mit Gebet und Flehen, bei Fasten in Sack und Asche, zu bitten. Ich betete zum Herrn, meinem Gott, legte ein Bekenntnis ab und sagte …“  Und dann folgt das lange Bußgebet. (Dan 9,3-19)

 

Ein ähnliches Bußgebet finden wir im neunten Kapitel im Buch Nehemia.

„Am vierundzwanzigsten Tag dieses Monats kamen die Israeliten zu einem Fasten zusammen, in Bußgewänder gehüllt und das Haupt mit Staub bedeckt. Die, die ihrer Abstammung nach Israeliten waren, sonderten sich von allen Fremden ab; sie traten vor und bekannten ihre Sünden und die Vergehen ihrer Väter. Sie erhoben sich von ihren Plätzen, und man las drei Stunden lang aus dem Buch des Gesetzes des Herrn, ihres Gottes, vor. Dann bekannten sie drei Stunden lang ihre Schuld und warfen sich vor dem Herrn, ihrem Gott, nieder.“ (Neh 9,1-3; Es lohnt sich, das ganze Gebet bis Vers 27 meditierend zu lesen.)

 

Mir ist hier wichtig, dass nicht nur Buße getan wird für die eigenen Sünden, sondern auch stellvertretend für die Sünde des ganzen Volkes. Und als Ausdruck dieser Bußgesinnung wird gefastet und gebetet.

 

Ob es nicht sinnvoll wäre, in der österlichen Bußzeit auch einmal in dieser Weise Buße zu tun, nicht nur für die eigenen Sünden, sondern auch für die Sünden des Volkes. In unserem Volk wird heute so viel gegen Gott gesündigt. Die Ehre Gottes wird heute bei uns so sehr mit Füßen getreten und in den Schmutz gezogen. Vielleicht ist es bitter nötig, dass auch in unserem Volk Menschen stellvertretend Buße zu tun für die eigene Sünde (Wir stellen und als Einzelne nicht außerhalb.), aber auch für die Sünden des ganzen Volkes. Und als sichtbarer Ausdruck unserer Bußgesinnung bekommt das Fasten einen ganz neuen Stellenwert.

 

 

 

Und schließlich einen letzten Gedanken aus der Bibel zum Thema Fasten: Ich komme noch einmal zurück auf das 58. Kapitel beim Propheten Jesaja. Da sagt Gott:

„So wie ihr jetzt fastet, verschafft ihr eurer Stimme droben kein Gehör. Ist das ein Fasten, wie ich es liebe, ein Tag, an dem man sich der Buße unterzieht: wenn man den Kopf hängen lässt, so wie eine Binse sich neigt, wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt? Nennst du das ein Fasten und einen Tag, der dem Herrn gefällt? Nein, das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen, an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen. Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Wunden werden schnell vernarben. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach. Wenn du dann rufst, wird der Herr dir Antwort geben, und wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: Hier bin ich.“ (Jes 58,4-9)

 

Jeder, der in der Bibel ein wenig zu Hause ist, dem fällt sofort die Parallele auf zur Szene von großen Weltgericht in Matthäusevangelium:

„Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40)

 

Es geht beim Fasten immer um eine neue Offenheit für Gott. Aber hier, und das ist das Neue in Jesaja 58, ist die Offenheit für Gott verbunden mit einer neuen Zuwendung zum Nächsten, zum Mitmenschen.

Vielleicht haben wir nicht die Möglichkeit, ungerechten Fesseln zu lösen, die Stricke eines Jochs zu entfernen. Aber an die Hungrigen das Brot auszuteilen, das steht in unserer Möglichkeit. Und das tun wir ja auch in den großen Hilfswerken der katholischen und evangelischen Kirche Deutschlands: „Misereor“ bzw. „Brot für die Welt“.

Aber auf einen kleinen Nachsatz möchte ich noch hinweisen, der auch für mich persönlich wichtig geworden ist: „… dich deinen Verwandten nicht entziehen.“ Positiv heißt das: sich den Menschen, die einem nahestehen, in neuer Weise zuwenden.

Da könnte man z.B. einen Brief schreiben, der schon lange fällig wäre; vielleicht einmal jemanden anrufen, der schon lange auf einen Anruf wartet. Da könnte es ein „Fastenopfer“ sein, wenn eine Familie sich entschließt, wieder einmal einen gemeinsamen Spaziergang zu machen, oder mit einander ein Gesellschaftsspiel zu spielen, statt dass jeder seinen eigenen Weg geht.

Sich dem Anderen neu zuzuwenden, sich dem Nächsten nicht entziehen.

 

Vielleicht haben Sie gemerkt, dass das Stichwort „Fasten“ in der Bibel zwar nicht so oft vorkommt, dass wir beim Stichwort „Fasten“ aber doch in manche Dimension hineingeführt werden, die uns nachdenklich machen könnte.

 

Die wichtigste Frage, die ich schon am Anfang gestellt habe, soll noch einmal am Schluss stehen:

Warum willst Du fasten?

Willst Du fasten als religiöse Pflichtübung?

Willst Du Fasten, um dem Bräutigam zu begegnen?

Willst Du fasten, um in einer entscheidenden Situation Deines Lebens den Willen Gottes zu erkennen und zu tun?

Willst Du fasten und Buße tun für Deine Sünde und für die Sünde des ganzes Volkes?

Willst Du fasten, um dich den Mitmenschen wieder neu zuzuwenden?

 

Mit dieser Frage entlasse ich Sie in eine Phase der Nachdenklichkeit.

 

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