Pfarrer Karl Sendker

Predigten - Hilfen zur Bibelarbeit

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2. Ostersonntag A
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Predigten

Predigtverzeichnis  nach Bibelstellen geordnet

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Predigt zur 1. Lesung:    Apg 2,42-47

Predigt zum Evangelium:   Joh 20,19-23

Predigt zum Evangelium:   Joh 20,19-31  (Thomas)

Predigttext:      Apg 2,42-47

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Das typische Kennzeichen der ersten Gemeinden in der Apostelgeschichte ist ihre Einmütigkeit. Sie waren eins. Und das war ein Zeugnis für die damalige Welt.

Ich habe manchmal überlegt, wie es gekommen ist, dass die ersten Christen in einer Generation den ganzen Mittelmeerraum für Christus gewonnen haben, ohne moderne Kommunikationsmittel, ohne moderne Verkehrsmittel. Ich glaube, es liegt zu einem ganz wesentlichen Teil daran, dass sie eins war. Das konnte jeder spüren. Die redeten nicht nur von Einmütigkeit, sondern sie haben diese Einmütigkeit gelebt.

Die typischen Kennzeichen dieser Einmütigkeit sind: Sie lobten Gott in Schlichtheit und Einfalt des Herzens, und sie waren beim ganzen Volk beliebt. Und der Herr fügte täglich Menschen zur Gemeinde hinzu. Das war nicht so wie bei uns heute, dass es in den Gemeinde eigentlich immer weniger werden. Nein, es wurden täglich Menschen hinzugefügt. Weil die Menschen die Freude im Miteinander und die Einmütigkeit der ersten Christen sahen.

Und diese Einmütigkeit hörte nicht dort auf, wo bei uns oft die Einmütigkeit aufhört, nämlich beim Geldbeutel. Da heißt es von den ersten Christen: Sie hatten alles gemeinsam. Sie hatten keinen Notleidenden in ihrer Mitte. Sie haben jedem zugeteilt, wie es nötig hatte. Das war damals ein Zeichen für die Welt, und es ist (oder wäre) ein Zeichen auch heute.

 

Ich habe ich vor einigen Jahren einmal eine moderne englische Bibelübersetzung gelesen. Diese Bibelübersetzung ist ungefähr zu vergleichen mit unserer deutschen Übersetzung „Gute Nachricht Bibel“. Das ist keine Übersetzung im engeren Sinn, sondern mehr eine sinngemäße Übertragung.

In dieser Übertragung ins Englische wurde das Wort „einmütig“ übersetzt „in one accord“, „in einem Akkord“. Als ich das gelesen habe, da ist mir ein Bild gekommen.

Einmütigkeit bedeutet nicht: Im Gleichschritt, Marsch! Alle gehen den gleichen Tritt. Einmütigkeit bedeutet auch nicht: alle singen in den gleichen Ton, C C C C C usw. Das wäre ja langweilig. Nein, Einmütigkeit bedeutet: In einem Akkord. Da singt der eine C, der andere singt E, ein dritter singt G. Jeder singt seinen Ton. Aber zusammen ergibt es eine Harmonie, eine Akkord. Es gibt einen Zusammenklang, einen Wohlklang. Und das provoziert die Freude, die die ersten Christen gehabt und ausgestrahlt haben.

Als ich über den Ausdruck nachdachte „in einem Akkord“, da kam mir plötzlich das Bild von einem großen Sinfonieorchester. Und vieles in einem Sinfonieorchester läst sich vergleichen mit der Situation einer Gemeinde.

In jedem Sinfonieorchester gibt es einen, der die erste Geige spielt. Das gibt es in einer Gemeinde auch.

In jedem Sinfonieorchester gibt es einen, der auf die Pauke haut. Auch das gibt es in allen Gemeinden, Menschen die auf die Pauke hauen.

Es gibt in jeden Orchester auch die Posaunen, genau so wie es in der Gemeinde Leute gibt, die alles herausposaunen müssen.

Es gibt in einem Sinfonieorchester die Trompeten, genauso wie es der Gemeinde Menschen gibt, die immer mit einem schmetternden Ton daherkommen.

Aber es gibt in einer Gemeinde auch die ganz zarten Stimmen, wie zum Beispiel in einem Orchester die Harfen.

Es gibt die ganz warmen Tönen in der Gemeinde, wie in einen Sinfonieorchester etwa das Cello.

Es gibt in jeder Gemeinde auch Menschen, die den anderen „die Flötentöne beibringen“, wie wir so schön sagen. Das gibt es im Orchester auch.

Es gibt im Orchester auch ganz melancholische Stimmen, zum Beispiel das Englischhorn oder die Oboe, genauso wie es solche melancholische Menschen auch in der Gemeinde gibt.

Aber alle zusammen ergeben einen Klang, eine Harmonie. Damit wir uns nicht missverstehen: Diese Harmonie oder dieser Klang besteht nicht darin, dass immer nur „eitel Sonnenschein“ ist, dass alles immer nur Wohlklang ist. Nein in einer großen Sinfonie ist es auch so, dass manchmal Dissonanzen entstehen. Das ist vom Komponisten so gewollt, so komponiert. Manchmal entstehen sogar ganz große Reibungen zwischen den einzelnen musikalischen Blöcken. Die heißen in der Musik „Hiate“. Da prallen Dissonanzen nur so auf einander. Das Entscheidende aber ist, dass diese Reibungen, diese Dissonanzen sich wieder auflösen. Und am Ende steht der Wohlklang, die Harmonie.

Es darf auch in unseren Gemeinden durchaus Dissonanzen geben. Es darf durch auch Reibungen geben. Wichtig ist, dass diese Reibungen sich auflösen, und dass diese Dissonanzen zu einer Haltung nie werden, zu einem Wohlklang.

 

In einem großen Sinfonieorchester ist auch so, dass nicht immer alle verschiedenen Instrumente gleichzeitig dran. Ich kann mich erinnern, ich habe 1966 als Chormitglied die „Schöpfung“ von Joseph Haydn gesungen. Dieses große Chorwerk dauert zwei Stunden. Und diese ganzen zwei Stunden lang hat im Orchester ein Musiker gesessen, der spielte das Contrafagott, ein ganz tiefes Bassinstrument; es sieht fast aus wie ein hölzernes Ofenrohr. Dieses Contrafagott hat in der ganzen „Schöpfung“ nur zwei einzelne Töne zu spielen gehabt. Die andere Zeit lang hat dieser Musiker nur herumgesessen, und hat auf diese zwei Töne gewartet. Ich hab bei den ersten Proben gedacht: Was für eine Verschwendung! Ein eigener Musiker für zwei einzelne Töne. Aber bei einer der letzten Proben war dieser Contrafagottist nicht anwesend. Und da wir haben sofort gespürt: Selbst wenn er nur zwei Töne zu spielen hatte, da fehlte etwas. An einer Stelle musste der Solist, der den Bass sang, mit seiner Stimme ganz tief runter. Und der brauchte das dann, dass sein tiefer Ton vom Contrafagott gleichsam gestützt wurde.

Es mag in einer Gemeinde durchaus sein, dass es wie die Geigen im Orchester Menschen gibt, die ständig daran sind. Oder andererseits mag es Gemeindemitglieder geben wie ein Contrafagott, das nur ganz wenig zu spielen hat. Entscheidend ist, dass du da bist in dem Moment, wo du dran bist.. Ein weiteres:

Ich habe eben davon gesprochen, dass jemand auf die Pauke hauen muss. Aber ein Paukist im Orchester weiß ganz genau, wann er laut auf die Pauke schlagen muss mit einem harten Schlegel gleichsam in einem Paukenwirbel, oder wann er mit einem ganz weichen Schlegel die Pauke gleichsam nur streicheln darf.

Wichtig ist auch, dass alle im Orchester auf den Dirigenten schauen. Er gibt den Einsatz. Und er sagt, wie eine musikalische Phrase gespielt werden muss, wann laut oder leise gespielt werden muss. Der Dirigent gibt das Tempo vor, und er gibt die Einsätze für die einzelnen Musiker.

Dieser Dirigent ist in der Gemeinde nicht der Pfarrer, der Dirigent ist Jesus Christus, der jeden nach seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten und auch nach den Bedürfnissen des Ganzen einsetzt. Schau auf ihn, auf den Dirigenten, und lass dich von ihm einsetzen. Dann wird es für alle Wohlklang. Einmütigkeit, in one accord, in einem Akkord, Wohlklang. Die Gemeinde als Orchester.

 

Ein letztes ist bei diesem Bild vom Orchester ganz wichtig, und auch für die Gemeinde ganz wichtig. Scheinbar ist das eine Selbstverständlichkeit: dass nämlich alle das gleiche Stück spielen. Stellen Sie sich einmal vor, eine Gruppe im Orchester würde sagen: „Wir spielen heute die Kleine Nachtmusik von Mozart.“ Eine andere Gruppe würde sagen: „Wir spielen die Nussknackersuite von Tschaikowsky.“ Eine dritte Gruppe würde sagen: „Wir spielen die 5. Sinfonie von Beethoven.“

Wie soll da ein Klang herauskommen, wenn jeder ein anderes Stück spielt? Das kann nicht gut gehen.

Aber in der Gemeinde Gottes, da leisten wir uns das, dass jeder sein eigenes Stück spielt. Ich will das einmal ganz praktisch sagen: Achten Sie doch einmal darauf in einer normalen Pfarrgemeinde: Da hat die Frauengemeinschaft ihr Jahresprogramm; da hat die KAB ihren Jahresschwerpunkt; da setzt der Kirchenchor seine eigenen Akzente. Jede Gruppierung hat ihr eigenes Schwerpunktprogramm.

Jetzt stellen Sie sich einmal für einen Augenblick vor, was wohl in unseren Gemeinden passieren würde, wenn sich alle Gruppen in der Gemeinde auf ein einziges Thema einigen würden, auf ein einziges Schwerpunktthema für ein Jahr.

Machen wir das mal ganz praktisch:

Stellen Sie sich vor, der Pfarrgemeinderat kommt zu dem Ergebnis: In unserer Gemeinde muss mehr getan werden für die Jugendarbeit. Für ein Jahr soll das Schwerpunktthema der ganzen Gemeinde sein. Das hat Konsequenzen.

Das hat für den für den Kirchenvorstand die Konsequenz, dass er in diesem Jahr Geldmittel freisetzen muss für die Jugendarbeit. Die müssen anderswo eingespart werden.

Das würde für den Kirchenchor die Konsequenz haben, dass in diesem Jahr vielleicht schwerpunktmäßig moderne geistliche Lieder gesungen werden.

Das hätte für die KAB die Konsequenzen, dass vielleicht die Jugendorganisation der KAB gestärkt wird.

Das hätte für den Kindergarten Konsequenzen. Das hätte für alle Konsequenzen, wenn sich alle einigen würde auf so ein Schwerpunktthema.

 Gut, vielleicht wäre dann im nächsten Jahr eine anderes Schwerpunktthema dran, vielleicht die geistliche Erneuerung der Gemeinde, oder die Unterstützung der Mission, oder eine soziale Aufgabe.

Aber unsere Kraft würde sich vervielfältigen, wenn wir in unseren Gemeinden das tun würden, was für ein Sinfonieorchester selbstverständlich ist, dass nämlich alle das gleiche Stück spielen.

Ich glaube wir vergeben uns in unseren Gemeinden ganz viele Chancen dadurch, dass jede Gruppierung zu ihren Kram macht, ihr eigenes Programm macht, ihren eigenen Schwerpunkt setzt. Und kaum einer hat mir das Ganze im Blick. Lasst uns dieses Ganze wieder im Blick haben! Lasst uns darauf einen Akzent setzen: Wir möchten eins sein in unserer Gemeinde, dass wir gemeinsam das gleiche Stück spielen, einen gemeinsamen Schwerpunkt haben.

 

Ich möchte noch einmal zurückkommen auf den Anfang, auf das Stichwort „Einmütigkeit“. Diese Einmütigkeit einer Gemeinde ist deswegen so ein bedeutendes und großes Glaubenszeugnis vor der Welt, weil diese Einmütigkeit ein Spiegelbild der göttlichen Dreifaltigkeit ist. Ein Gott in drei Personen. Verstehen kann man dieses Geheimnis letztlich nicht.  

Die Menschen in dieser Welt können es aber im buchstäblichen Sinne begreifen, wenn an uns in der Gemeinde sichtbar wird, wenn es da handgreiflich wird, dass die vielen Menschen mit ihren unterschiedlichen Begabungen, Veranlagungen und Prägungen eins werden. Wenn sie zu einem Zusammenklang werden, wenn sie wirklich in einem Akkord das Gemeindeleben leben.

Und dieses gemeinsame Stück, das dann gespielt wird, auch das will ich ihnen nennen: Dieses gemeinsame Stück ist z.B. die Botschaft, die Weihnachten auf den Feldern vor Bethlehem erklungen ist: „Ehre sei Gott in der Höhe; und Friede auf Erden den Menschen.“  Amen.

 

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