Pfarrer Karl Sendker  

 

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Weihnachten:  "Menschwerdung"    mp3    Video

 

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Predigtthema:    Menschwerdung    mp3    Video

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Vor einigen Jahren habe ich ein altes Ehepaar besucht, die standen kurz vor ihrer Goldhochzeit. Wir wollten an diesem Nachmittag den Gottesdienst für die Goldhochzeit besprechen. Bei diesem Gespräch, nachmittags beim Kaffee trinken, holte der Mann ein altes Fotoalbum aus dem Schrank. Er setzte sich zu mir aufs Sofa und zeigte mir die Fotos der Familie.  

Er selber war Arbeiter gewesen im Straßenbau. Er hatte vier Kinder. Während er mir die Fotos mit den Familienbildern zeigte, hat er mir von jedem Kind die ganze Lebensgeschichte erzählt. Schließlich kam er an den Jüngsten. Da ging ein Leuchten über sein Gesicht. Und er sagte: „Das ist unser Bernhard, aus dem ist was geworden, der hat es zu was gebracht.“ Ich fragte: „Was ist denn aus dem geworden?“ „Der ist Professor geworden.“ Wenn ich mich richtig erinnere, war das an der Universitätsklinik in Erlangen. „Unser Bernhard, aus dem ist was geworden.“ Und der alte Vater strahlte. Na klar, er selbst kam ja aus ganz einfachen Verhältnissen. „Aber unser Bernhard, aus dem ist was geworden.“

 

Jetzt schreiben wir diesen Satz einmal über die Weihnachtsgeschichte, über die Geschichte, wo der Sohn Gottes Mensch wird. „Aus dem ist was geworden!“  

Es ist ganz eigenartig: Normalerweise geht die menschliche Karriereleiter von unten nach oben, aus kleinen Verhältnissen steigt man dann ganz nach oben, bis man evtl. Professor wird. Aber die göttliche Karriereleiter geht genau umgekehrt. Die beginnt in der Herrlichkeit Gottes. Der Sohn Gottes war in der Herrlichkeit. Und dann sie geht ganz nach unten.

 

Der Apostel Paulus hat im Philipperbrief ein Christuslied eingefügt, das wir heute noch in unserem Gesangbuch (Gotteslob) haben. Es ist vielleicht eines der ältesten Christuslieder überhaupt. Da heißt es von Christus: „Er war wie Gott, in der Herrlichkeit des Himmels, aber er hielt dieses Gottgleichsein nicht fest, sondern er hat sich entäußert, er hat sich erniedrigt und ist ein Mensch geworden.“ Das ist die Karriereleiter Gottes.

Aber das war ja noch nicht alles, dass er sich erniedrigte und Mensch geworden ist. Er ist in die ärmlichsten Verhältnisse hinabgestiegen: Geboren in einem Stall, in eine Krippe gelegt, weil in der Herberge kein Platz für sie war.

Aber auch das war noch nicht das Ende der Karriere. Menschlich gesehen endet seine Karriere, als er wie ein Verbrecher ans Kreuz geschlagen wird. „Aus dem ist was geworden.“

 

Warum hat Gott das so gemacht? Warum ist Gott diesen Weg gegangen, von der Herrlichkeit bis ganz unten in die Erniedrigung, dass er Mensch wurde?

 

Darauf gibt es eine ganz schlichte Antwort: Gott ist Mensch geworden, damit wir Mensch werden können. Nun kann natürlich jemand sagen: „Wir sind doch alle Menschen, das ist doch selbstverständlich.“ Ja, das stimmt; wir alle gehören zur Gattung Mensch. Aber überlegen Sie einmal, wie viel Unmenschlichkeit heute in unserer Welt sichtbar wird. Sie brauchen nur täglich die Zeitung aufzuschlagen oder die Nachrichten im Fernsehen anzuschauen. Wie viel Unmenschlichkeit wird in unserer Welt heute sichtbar. Schau mal nach Bethlehem, wo bis in unsere Tage immer wieder Krieg und Unruhen sind. Wo die Palästinenser untereinander einen Bürgerkrieg führen. Und das ist ja nur ein Schauplatz, aber eben Bethlehem.

Vielleicht haben wir sie ja doch nötig, diese Botschaft von der Menschwerdung Gottes, damit wir Mensch werden können.

 

Oder überlegen Sie einmal etwas anderes. Wir gebrauchen ja das Wort ‚menschlich’ manchmal in einer furchtbaren Weise. Da entschuldigen wir mit dem Wort ‚menschlich’ alle möglichen Fehler, Schwächen, Sünden, Grausamkeiten. Da sagen wir dann entschuldigend: „Das ist doch menschlich.“ Ob wir es vielleicht doch nötig haben, dass Gott Mensch wurde, damit wir Mensch werden können? Damit wir in Jesus, dem Mensch gewordenen Gottessohn, einen Maßstab haben, an dem wir uns orientieren können, an dem wir ablesen können, wie Gott sich das Menschsein gedacht hat?

 

Wir haben das eben in der zweiten Lesung gehört: „Erschienen ist die Güte und Menschenfreundlichkeit und Menschenliebe unseres Gottes“, als Gott in diese Welt kam. Schau Dir einmal diesen Jesus an, nicht das Kind in der Krippe, sondern wie er dann als Erwachsener mit den Menschen umgegangen ist. Wie da wirklich die Menschenfreundlichkeit Gottes sichtbar wurde. Schau ihn Dir an.

Er hat es nicht zugelassen, dass eine Ehebrecherin gesteinigt wurde. Da hat die Barmherzigkeit, die Menschenliebe, triumphiert über den Paragraphen. Der Paragraph hat gesagt: Steinigung, auf frischer Tat ertappt. Aber Jesus lässt nicht zu, dass dieser Paragraph angewendet wird: „Wer von euch ohne Sünde ist, der soll den ersten Stein werfen.“

Oder schau ihn Dir an im Abendmahlssaal. Da hat er auch einem Judas noch die Füße gewaschen, obwohl er wusste dass Judas ihn noch in der gleichen Nacht verraten würde. Das ist die Menschenfreundlichkeit Gottes sichtbar geworden.

Und darum ist Gott Mensch geworden, damit wir in dieser Weise Mensch werden können, menschlich miteinander umgehen können.

 

Die Schüler und Schülerinnen in der Schule lernen heute eine Lebensphilosophie, eine Weltanschauung, die sich in diesem Zusammenhang verheerend auswirkt. Da lernen die Kinder: Der Mensch steht nur ein kleines bisschen über dem Affen, oder genauer gesagt, über dem Primaten; er stammt vom Affen ab. Wenn das aber unsere Lebensphilosophie ist, dass der Mensch nur ein kleines bisschen über dem Affen steht, über den Tieren steht, dann darf man sich nicht wundern, dass das Zusammenleben in unserer Welt immer bestialischere Züge annimmt.

Das Menschenbild der Bibel ist ein ganz anderes. Da heißt es schon im Alten Testament, im achten Psalm: „Gott hat den Menschen nur so ein kleines bisschen niedriger gemacht als Gott.“ Das ist unsere Würde: Wir sind geschaffen im Ebenbild Gottes. Der Anfang der Bibel, die Schöpfungsgeschichte, drückt das so aus: Aus dem Gebilde „aus Erde“ (Das Wort „Adam“ heißt übersetzt eigentlich „aus Erde“.) wird Ebenbild Gottes dadurch, dass Gott diesem Gebilde seinen Geist einhaucht. So wird es Ebenbild Gottes.

Gut, es stimmt ja, was die Schüler in der Schule lernen, dass der Mensch sich aus den Primaten, aus dem Tierreich entwickelt hat. Aber irgendwann im Laufe dieser Entwicklung wird aus diesem Wesen, das sich da entwickelt hat, durch einen Eingriff Gottes „Ebenbild Gottes“. Das ist die Würde, die wir haben. Und darum ist Jesus Mensch geworden, damit uns diese Würde, die wir als Gottes Ebenbild haben, wieder bewusst wird.

 

Man muss ja eins in diesem Zusammenhang auch einmal sagen: Wenn jemand das im tiefsten Herzen verstanden hat, dass jeder Mensch Ebenbild Gottes ist, dann wird er nicht mehr so schnell Bomben werfen. Da wird er auch nicht eine Pistole nehmen und durch eine Schule rennen. Wenn man das wirklich verinnerlicht hat, dass jeder Mensch, ob alt, ob krank, ob reich, ob arm, dass jeder Mensch Ebenbild Gottes ist, dann kann man auch nicht mehr ein kleines Kind in die Mülltonne werfen oder in die Gefriertruhe sperren. Dann kann man auch nicht ungeborenes Leben einfach wegmachen. Es ist ja Ebenbild Gottes. Dann kann man auch nicht mehr hingehen, wie das ja in Mode zu kommen scheint, und Menschen klonen, weil man manche Stammzellen brauchen kann, und was man nicht brauchen kann, wird weggeworfen. Das was da weggeworfen wird, ist Ebenbild Gottes. Und darum ist Jesus Mensch geworden, um uns diese Würde wieder ins Gedächtnis zu rufen, damit wir in dieser Weise wieder unser Menschsein neu schätzen lernen und entdecken lernen.

 

Aber dann stellt sich ja die Frage: Wie wird man denn in dieser Weise Mensch? Wie kann man denn in dieser Weise die Wesensart des Mensch gewordenen Gottessohnes in seinem eigenen Leben. Erfahren?

Das bekommst Du nicht durch eine stimmungsvolle Weihnachtsfeier. Das bekommst du auch nicht dann, wenn du zufällig mal Weihnachten zum Gottesdienst gehst, weil es halt zum Weihnachtsfest dazu gehört. Da ist etwas anderes nötig.

Da ist es wichtig, dass Christus in dir gleichsam noch einmal geboren werden kann. Der Apostel Paulus hat im Galaterbrief geschrieben: „Ich leide Geburtswehen für euch, damit Christus in euch Gestalt gewinnt.“ Das bedeutet, dein Herz soll gleichsam ein neues Bethlehem werden, wo Christus Wohnung findet, Nicht nur äußerlich, sondern dass er wirklich in deinem Herzen Platz hat.

Wie singen wir das im Weihnachtslied, „Zu Bethlehem geboren …“, in der vierten Strophe: „Dich wahren Gott ich finde in meinem Fleisch und Blut, darum ich fest mich binde an dich, mein höchstes Gut.“ Darum geht es. Nicht um Äußerlichkeiten, sondern dass ER in uns Gestalt gewinnen kann.

 

Wenn das nicht passiert, wenn Weihnachten nur äußerlich bleibt, dann wird es wohl immer mehr darauf hinaus laufen, dass die Grausamkeit in unserer Welt immer größer wird, und dass wir das auch noch mit einem Achselzucken „menschlich“ nennen,.

Aber wer Jesus Christus wirklich in seinem Herzen aufgenommen hat und ihm einen Platz gegeben hat, der wird erfahren, dass die verwandelnde Kraft Gottes in seinem Leben sichtbar wird. Dass wir gleichsam Anteil bekommen an seiner göttlichen Natur. Hören Sie einmal gleich genau hin bei der Präfation. Da heißt es in der Präfation: „Es findet Weihnachten ein göttlicher Tausch statt. Das ewige göttliche Wort wird ein sterblicher Mensch, und wir sterbliche Menschen empfangen durch Christus das göttliche Leben, Anteil an seiner göttlichen Natur.“

Darum ist Jesus Mensch geworden, damit wir Mensch werden. Aber nicht in einem vordergründigen Sinne, sondern dass wir Anteil bekommen an der Natur des Mensch gewordenen Gottessohnes. Das ist die Botschaft der Menschwerdung. Das ist die Botschaft von Weihnachten.

 

Schließen möchte ich mit einem Satz, den mir einmal ein Jugendlicher als Aufkleber hinten auf einen Brief geklebt hat. Auf diesem Aufkleber stand: „Mach’s wie Gott, werde Mensch!“. Darum geht es im Letzten.   Amen.

 

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