Pfarrer Karl Sendker

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Thematische Predigt.   "Neue Schöpfung"

Thematische Predigt:  „Neue Schöpfung“

 

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Der Gekreuzigte lebt! Das ist die Frohbotschaft des Osterfestes. Ein Toter ist wieder lebendig geworden.

Aber wenn das alles wäre, dass ein Toter wieder lebendig geworden ist, dann brauchten wir eigentlich kein Osterfest zu feiern. Denn das hatte es früher auch schon gegeben. Wenn wir in das Leben Jesu schauen: Da war die Tochter des Jairus gerade gestorben. Man ruft Jesus. Er kommt dazu, fasst das Mädchen an der Hand, richtet sie auf, und das Mädchen, lebt wieder.

Oder da wird in dem kleinen Ort Nain eine Bahre heraus getragen zum Friedhof. Ein junger Mann war gestorben. Die Mutter war schon Witwe, es war ihr einziger Sohn. Jesus stoppt den Leichenzug, geht an die Bahre, fasst den jungen Mann an der Hand und sagt ihm: „Steh auf!“ Und der steht auf. Und Jesus gibt ihn seiner Mutter zurück. Da war ein Toter wieder lebendig geworden.

Oder denken Sie an den Lazarus, den Freund Jesu. Der lag schon vier Tage im Grab. Da war schon die Verwesung eingetreten. Und Jesus steht vor dem Grab des Lazarus und ruf in das Grab hinein: „Lazarus, kommt heraus!“ Und der kam heraus. Er war wieder lebendig geworden.

Dass ein Toter wieder lebendig ist, dafür brauchen wir kein Osterfest. Man könnte fast sagen: Das ist nichts Außergewöhnliches.

 

Aber bei der Auferweckung Jesu am Ostertag geht es auch um etwas ganz anderes. Da geht es nicht darum, dass ein Mensch wieder in das alte Leben zurückgeholt wird wie etwa der Lazarus. Der ist dann ja auch irgendwann wieder gestorben. Nein, als der Vater im Himmel Jesus auferweckt hat, da war das nicht ein Zurückholen ins vorherige Leben. Es war ein Stück neue Schöpfung. Da ist etwas Neues entstanden, was so vorher noch nie gegeben hatte.

Wenn wir uns ein Stückchen herantasten wollen an dieses Neue, dann wollen wir uns einmal anschauen, wie der Leib Jesu nach seiner Auferstehung war, als er, der Auferstandene den Jüngern erschienen ist.

Auf der einen Seite war der auferstandene Jesus genau zu identifizieren als der Rabbi, mit denen sie drei Jahre lang gegangen waren. Er konnte ein Stück Fisch essen, als die Jünger dachten, es sei ein Gespenst, und er hatte noch die Wundmale. Als Thomas nicht glauben will, dass Jesus es wirklich ist, das sagt Jesus ihm: „Thomas, du wolltest mich doch anfassen. Hier sind die Wundmale.“ Es war eindeutig Jesus von Nazareth.

Aber auf der anderen Seite hatte dieser Auferstehungsleib Qualitäten, Eigenschaften, die der irdische Jesus so nicht gehabt hat. Es ist doch merkwürdig, dass man ihn nicht auf Anhieb erkennt. Die Emmausjünger halten ihn für einen Wanderer, der mit ihnen geht. Maria von Magdala, die am Grab Jesus weint. hält ihn für den Gärtner. Und erst auf ein bestimmtes Signal hin erkennen sie ihn. Bei den Emmausjüngern, als er ihnen das Brot bricht. Bei Maria von Magdala, als er sie ganz persönlich mit dem Namen angeredet: „Maria!“ Da erkennt sie ihn.

Und außerdem gelten für den Auferstandenen nicht mehr die Gesetze von Raum und Zeit. Er kommt bei verschlossenen Türen herein. Er ist gleichzeitig mit den Emmausjüngern unterwegs und ist zur gleichen Zeit in Jerusalem bei den anderen Jüngern. Dieser Auferstehungsleib Jesu trägt die Merkmale von etwas total Neuem. Der Apostel Paulus, hat das später im ersten Korintherbrief einmal so ausgedrückt: „Es ist ein Geist-Leib.“ Was Paulus sich darunter vorgestellt hat, bleibt undeutlich. Aber hier wird ein Stück Neue Schöpfung sichtbar.

 

Gestern Abend in der Osternachtsfeier haben wir in den Lesungen einen großen Bogen geschlagen Zurück bis an den Anfang der Bibel, bis ins erste Kapitel, wo von der Schöpfung die Rede ist. „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde … Und Gott sah, dass es gut war.“

Eigentlich müssten wir am Ostersonntag noch einen zweiten Bogen schlagen, diesmal ans Ende der Bibel, ins letzte Buch des Neuen Testamentes. Da ist nämlich von der Neuen Schöpfung die Rede. „Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde von Gott herabgekommen.“ Am Anfang die Schöpfung, am Ende die Neuschöpfung.

Der erste Schöpfungsakt dieser Neuen Schöpfung ist die Auferweckung Jesu von den Toten. Die Neue Schöpfung, die da sichtbar wird, ist gekennzeichnet durch ein hebräisches Stichwort, das wir alle kennen, durch das Stichwort „Schalom“, Friede, Heil. Es geht darum, dass die Schöpfung wieder heil gemacht wird, dass Gott über die Schöpfung wieder neu sagen kann: Es ist sehr gut.

Bereits im Alten Testament beim Propheten Jesaja finden wir an manchen Stellen in bildhafter Ausdrucksweise diese Neue Schöpfung beschrieben. So schreibt Jesaja: „An jenem Tag, das heißt, wenn die neue Schöpfung beginnt, dann wird es so sein, da werden die Menschen ihre Schwerter umschmieden zu Pflugscharen und ihre Lanzen zu Winzermessern. Da wird es keine Manöver mehr geben, man wird nicht mehr üben für den Krieg. Dann können eine Kuh und ein Löwe zusammen auf die Weide gehen. Ein kleines Kind kann seine Hand in das Schlupfloch der Giftschlange stecken. Die Giftschlange wird nicht zubeißen.“ Das sind alles bildhafte Ausdrücke dafür, dass Heil geschieht, dass das Gesetz der Bestialität, der Grausamkeit, der Feindschaft in der Neuen Schöpfung nicht mehr existiert. Es existiert nur noch Schalom, Friede, Heil. Friede, der von Gott kommt.

 

Zum ersten Mal wird diese Neue Schöpfung schon erkennbar, als Jesus am Kreuz hängt. Da schien das Böse zu triumphieren: Jetzt haben wir ihn zur Strecke gebracht mit seinem Anspruch, der Sohn Gottes zu sein. Aber am Ostertag zeigt sich: Nicht der Tod sitzt am längeren Hebel; nicht Hass und Spott sitzen am längeren Hebel, sondern die Kraft Gottes, die Kraft seiner Liebe.

 

Und das hat er nicht bei Jesus aufgehört. Diese Neue Schöpfung breitet sich seit der Auferweckung Jesu immer weiter aus. Schau einmal in die Apostelgeschichte hinein. Das Merkmal der ersten Christen, der ersten Gemeinde war: „Schaut nur, wie sie einander lieben.“ Das war das typische Kennzeichen. Und als der alte Apostel Johannes einen Brief schreibt, da kann er schreiben: „Wir wissen, dass wir vom Tod zum Leben hinüber gegangen sind, weil in der Lage sind, die Menschen zu lieben, ja sogar unsere Feinde zu lieben.“ Menschlich gesehen ist das unmöglich. Aber das ist ein Kennzeichnen der Neuen Schöpfung. Der Apostel Paulus schreibt im zweiten Korintherbrief: „Wenn einer in Christus ist, mit Christus verbunden ist, dann ist er Neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen. Siehe, Neues ist geworden.“ „Siehe!“, das ist mir wichtig. Da kann man etwas sehen. Das muss man nicht einfach nur glauben.

Im Leben der Apostel konnte man sehen, dass da etwas Neues geworden war. Die gleichen Zeichen und Wunder, die Jesus gewirkt hatte, die werden im Leben der Apostel auch sichtbar.

 

Aber es ist auch nicht stehen geblieben bei den Aposteln, sondern es ist weiter gegangen durch die ganze Kirchengeschichte hindurch bis in unsere Tage hinein. Schauen Sie sich einmal das Leben der großen Heiligen an. Und die sind ja nur die Spitze des Eisbergs. Nehmen wir einmal einen Mann wie den heiligen Franziskus. Wenn die Legende sagt, dass Franziskus mit Tieren gesprochen hat, dann kann man natürlich sagen: „Das ist alles nur eine Legende.“ Mag sein, aber diese Legende will doch nur ausdrücken, dass überall dort, wo Franziskus hinkam, die Schöpfung heil geworden ist, dass Tiere keine Angst mehr hatten vor den Menschen, dass der Kommunikation möglich war. Er wurde die Schöpfung heil.

Oder ein anderes Beispiel: Nehmen wir den Nationalheiligen der Schweiz, Nikolaus von der Flüe. Es ist doch merkwürdig: In ganz Europa bis in unsere Tage hinein hat ein Krieg nach dem anderen in Europa getobt. Und doch ist seit Nikolaus von der Flüe die Schweiz ein Oase des Friedens. Fragen Sie einmal in der Schweiz einen Christen. Die führen heute noch die Tatsache, dass die Schweiz die in einen Krieg verwickelt war, auf die Frieden stiftende Wirkung des heiligen Nikolaus von der Flüe zurück. Da wird die Schöpfung heil. Das ist Neuschöpfung.

Oder in einem ganz anderen Bereich: Ich habe eben gesagt, dass bei Jesus die Gesetze von Raum und Zeit gleichsam aufgehoben waren. Eine Mystikerin des Mittelalters, Teresa von Avila, eine Frau, die als erste den Titel Kirchenlehrerin bekommen hat. Das war ein gestandenes Weibsbild, das sagt sie von sich selbst. Das war wirklich eine Frau, die mit beiden Beinen auf dem Boden stand. Und trotzdem schreibt sie in ihrer Autobiographie: Wenn ich in der Kirche mit meinen Mitschwestern zum Gebet versammelt war, dann ist es oft so gewesen dass ich in der Kirche geschwebt bin, zwei Meter hoch über den Bänken. Das geschah nicht, wenn sie alleine war, sondern das war kontrollierbar. Alle Gottesdienstbesucher waren dabei. Und sie schreibt: Ich habe mich fest geklammert an der Bank, weil mir das so peinlich war. Aber wenn die Kraft Gottes kommt, dann kannst du dich nicht mehr festhalten. Sie hat im Raum schwebt. Da werden wieder die Kräfte der Neuen Schöpfung sichtbar, die Kräfte der Auferstehung.

Oder, wieder in einem anderen Bereich: Wie gehen noch einmal in unsere Tage hinein, die Älteren könnten das vielleicht noch wissen. Da hat es in Konnersreuth eine Frau gegeben, Therese Neumann. Von dieser Therese von Konnersreuth wird glaubwürdig berichtet, dass sie über Jahre hin nur von der täglichen Kommunion gelebt hat. Sie hat über Jahre hin keine Nahrung zu sich genommen. Das ist menschlich gesehen, nach den Gesetzen der Natur nicht möglich. Aber hier wird wieder sichtbar, dass die Kräfte der Auferstehung, die Kräfte der Neuen Schöpfung in unser Leben durchschlagen.

Oder noch ein Beispiel aus unseren Tagen: Schau Dir einen Mann an in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts: Martin Luther King. Wie sind damals die Menschen in Rassenhass aufeinander losgegangen, die Weißen gegen die Schwarzen. Und mitten in diesem Rassenhass steht der Negerführer Martin Luther King auf und ruft den Weißen zu: „Ihr seid meine Brüder, und ich liebe euch. Und wenn ihr mich in Stücke reißt, dann wird jedes einzelne Stück von mir euch noch zurufen: Ihr seid eine Brüder ich liebe euch.“ Man hat ihn erschossen. Man hat ihn zur Strecke gebracht. Aber eins ist in diese Negerführer, in diesen Negerpastor auch sichtbar geworden: Am längeren Hebel saß die Kraft der Auferstehung, die Kraft der Liebe. Und wenn heute, etwa 50 Jahre später, in den USA Farbige bis in die höchsten politischen Ämter aufsteigen können, dann liegt es nicht zuletzt daran, dass in diesem Negerpastor die Kräfte der Liebe, die Kräfte der Auferstehung, die Kräfte der Neuen Schöpfung sich als mächtiger erwiesen haben.

Wenn es einem Menschen gelingt, seine Feinde zu lieben, das ist menschlich gesehen nicht mehr möglich. Menschlich gesehen heißt es immer: „Wie du mir, so ich dir.“ Aber die Kräfte der Neuen Schöpfung sagen: „Wie Gott mir, so ich dir.“

 

Schwestern und Brüder, wir leben heute in einer „Kultur des Todes“, wie der Papst immer wieder betont. Eigentlich müsste man sagen: in ein „Unkultur des Todes“. Das zeigt sich darin, dass auf der einen Seite massenhaft ungeborenes Leben getötet wird. Das zeigt sich darin, dass auch in unserem Land in zunehmendem Maße Kinder sexuell missbraucht und dann ermordet werden; dass man in unseren Tagen auch hier in Deutschland in Schulen mit Waffen aufeinander los geht. Das zeigt sich darin, dass heute in unserer Welt grausame Kriege toben. Ich denke daran, wie sich in Afrika Hunderttausende, ja Millionen von Menschen im Bürgerkrieg gegenseitig abschlachten. Und keiner redet darüber. Ist das nicht merkwürdig? Auf der anderen Seite wird die so Unkultur des Todes auch darin sichtbar, dass hier in unserem zivilisierten Westen immer mehr Menschen Drogen nehmen um einer Lusterfahrung willen. Und jeder weiß: Im Grunde sind Drogen Tod auf Raten. Wir leben in einer Unkultur des Todes.

 

Aber wir Christen haben angesichts der Unkultur des Todes ein Hoffnungszeichen zu setzen, oder besser gesagt, ein Hoffnungszeichen zu sein. Wir haben zu dokumentieren, dass es etwas anderes gibt, nämlich die Kultur der Liebe, die Kultur der Auferstehung, die Kultur der Neuen Schöpfung. Und die Kultur der Liebe, dieses Hoffnungszeichen, besteht nicht darin, dass wir jetzt ein Plakat nehmen und auf der Straße demonstrieren.

Wir Christen haben vielmehr die Aufgabe, Hoffnungszeichen zu werden dadurch, dass wir „in Christus“ sind. Dann sind wir neue Schöpfung. Die Auferstehungskraft Jesu Christi soll in unserem Herzen sichtbar werden. Die Menschen sollen spüren können, was wir eben in der Lesung aus dem Kolosserbrief gehört haben: „Ihr seid mit Christus auferweckt.“ Nicht ihr werdet mit Christus auf erweckt, nein, ihr seid mit Christus auferweckt. Die Kraft der Auferstehung ist in euch. Und wenn die Liebe, die wir dann von Jesus bekommen, von der Auferstehungskraft Jesu, wenn die aus unserem Leben ausstrahlt, weil wir in Christus in, dann sind wir Hoffnungszeichen für diese Welt. Und dazu möchte uns die Osterbotschaft ermutigen: Neue Schöpfung durch die Verbundenheit mit Jesus Christus. Amen.

 

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